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Das 22e régiment d'infanterie de ligne im Jahre 1815.


Der colonel des Regiments im Feldzug 1815, Louis-Florimond Fantin des Odoards, hat uns in seinem 1895 in Paris veröffentlichten Journal du général (Louis-Florimond) Fantin des Odoards: Étapes d'un officier de la grande armée 1800-1830. (Journal des Generals (Louis-Florimond) Fantin des Odoards: Reisestationen eines Offiziers der Großen Armee 1800-1830.) einen interessanten Bericht darüber hinterlassen. Er schreibt (S. 426-453):

Couvins [= Couvin] (Ardennes), 11. Juni 1815.

Ich war schon zwei Wochen in Hautbourdin, als ein Schreiben des Kriegsministeriums mir befahl, das Kommando des 22sten Linienregiments in Mézières zu übernehmen. Ich hatte eine gewisse Hoffnung gehegt, das Kommando meines geliebten 25sten wieder zurückzubekommen, welches mir die Restauration ungerechterweise genommen hatte, daher habe ich meine neue Aufgabe nicht mit soviel Vergnügen aufgenommen, wie ich Ursache gehabt hätte. In dem ernsten Kampf, der sich anbahnt, ist es nicht von geringer Wichtigkeit für einen Chef, Männer zu kommandieren, die er kennt und denen er ebenso bekannt ist. Egal, hier oder dort, ich werde meine Pflicht tun.

Mein neues Regiment ist zunächst von Kantonierung zu Kantonierung durch sämtliche Dörfer der Ardennen rund um Rocroy gewandert, doch zum Schluß ist es in Couvins gelandet, wo es seit dem 18. des letzten Monats ruht - falls man überhaupt von ruhen reden kann, wenn man von morgens bis abends exerziert und manövriert.

Heute morgen gab es eine beeindruckende Zeremonie. Das 22ste Regiment hatte aus Paris den Adler erhalten, den der Kaiser ihm anvertraut, und der allem Anschein nach bald auf dem Schlachtfeld eine weitere Weihe erhalten wird. Dieses neue Feldzeichen, frisch aus der Werkstatt des Vergolders gekommen, wurde feierlich in der Kirche von Couvins gesegnet, dann hat jeder Soldat, ihn mit der Hand berührend, einzeln geschworen, ihn bis zum Tode zu verteidigen. Nach dieser religiösen Zeremonie, nachdem das Regiment ein Karree formiert hatte, habe ich eine Ansprache gehalten, in der ich die alten Erinnerungen an den Ruhm des 22sten Linienregiments heraufbeschworen und dann die Erwartung ausgesprochen habe, daß es sein Ansehen im nahenden Feldzuge würdig bewahren wird. Meine warmen Worte wurden mit einer Begeisterung aufgenommen, die ein glückverheißendes Vorzeichen darstellt.

Der Empfang dieses noch jungfräulichen Adlers hat in mir die Reue wiederbelebt, die ich vor einigen Monaten empfand, als eine Vorsicht, die ich verachte, es mir zum Gebot machte, den Adler des 25sten zu opfern, den ich so fürsorglich bewahrt und aus dem Tiefen Ungarns mit mir mitgebracht hatte. Wenn ich ihn doch heute dem Kaiser bringen und überreichen könnte!

In diesem Teil unserer Grenzregionen drängen sich die Truppen überall. Bei solch einer Ansammlung ist es leicht vorauszusehen, daß wir kurz vor dem Ausbruch der Feindseligkeiten stehen. Vor uns sind, so wird gesagt, die preußischen und englischen Armeen, und wahrscheinlich konzentrieren sie sich nicht weniger. Zweifellos sollen wir mit ihnen fertig werden, bevor die anderen Alliierten ankommen. Unsere Regimenter sind schön und vom besten Geist beseelt, der Kaiser führt uns, hoffen wir, daß wir mit Würde unsere Rache nehmen werden. Vorwärts darum, und daß Gott Frankreich beschützen möge!

Soeben erhalte ich den Befehl, mein Regiment noch heute abend in das Dorf Nisme, nicht weit von Couvins, zu verlegen.

Jargeau (an der Loire), 13. Juli 1815.

Ich hatte nicht das Glück, während dieses so kurzen und so fatalen Feldzuges, der den Feind bis nach Paris hinein geführt hat, zu fallen, und ich lebe weiter, um am Leichenbegängnis unseres unglücklichen Vaterlandes mitzuwirken. Das ist schlimmer als der Tod. Nach dem Tage von Pavia sagte Franz I.: Alles ist verloren, nur die Ehre nicht. Wir haben noch nicht einmal diesen letzten Trost: Alles ist verloren, selbst die Ehre. Feigheit, Unfähigkeit, Verrat, Tatenlosigkeit, alles dieses zählt mit zu den Ursachen unseres Ruins. Welch düstere Zukunft!

Ich bin hier am linken Ufer der Loire, mit dem, was von meinem Armeekorps übriggeblieben ist, und unter unseren Augen pressen die Preußen nach Belieben das rechte Ufer aus. Man könnte vor Schande und Kummer sterben. Doch es gibt keinen Patriotismus mehr in Frankreich. Das heilige Feuer, das zu ihrer Verzweiflung immer noch eine kleine Zahl von Soldaten, denen man die Hände gebunden hat und die keine Führung mehr haben, beseelt, ist in allen anderen Herzen erloschen. Wir sind reif für die Sklaverei.

Allouis (Cher), 22. Juli 1815.

Die Überreste von Waterloo, die heute das bilden, was man die Loire-Armee nennt, sind ständig auf dem Marsch durch unsere inneren Provinzen, ohne zu wissen, wo sie bleiben werden und welches Schicksal ihnen bestimmt ist. Ich nutze einen Ruhetag, um meine Erinnerungen zu ordnen. Noch niemals zuvor habe ich einen so traurigen Blick zurückgeworfen.

Am 12. Juni war mein Regiment von Nisme nach Dailly verlegt worden.

Der Marschbefehl besagte, daß wir uns dort mehrere Tage aufhalten würden, doch am 13., nachdem das 3. Armeekorps, zu welchem das 22ste Regiment gehört, von seinem Oberkommandierenden wie für eine Revue versammelt worden war, setzte sich der General Vandamme mit allem in Richtung der äußersten Grenzen in Bewegung, Chimay in einer Entfernung von einer viertel Lieue [ca. 1 km, eine lieue commune hat 4443,80 Meter] links liegen lassend und den Wald von Fagne durchquerend. Dieser langsame und, weil die Kolonne fünfzehntausend Mann aller Waffen zählte, anstrengende Marsch hat uns bis eine halbe Lieue [ca. 2 km] jenseits von Beaumont gebracht. Dort haben wir die Nacht im Biwak verbracht. Die kleine Stadt Beaumont, in einer ziemlich malerischen Lage auf einer Anhöhe, ist von alten verfallenen Stadtmauern umgeben.

Am 14. brachte uns ein Kontermarsch zurück vor Beaumont, von wo aus das Armeekorps eine Lieue [ca. 4,5 km] weiter in einer anderen Richtung ins Biwak gegangen ist, vorwärts von Barbançon.

Am 15. verliest man bei jedem Regiment eine Proklamation des Kaisers, die ankündigt, daß wir in Belgien einmarschieren werden, um dort die Preußen zu bekämpfen. Tatsächlich überqueren wir unsere Grenze, erreichen die Sambre bei Charleroy, einst eine befestigte Stadt, erbaut und benannt von den Spaniern, und kurz darauf wird ein preußisches Korps, das sich vor uns zurückzieht, mit Ungestüm von unserer leichten Kavallerie angegriffen, welche ihm einen Verlust von tausend Gefallenen, Verwundeten und Gefangenen zufügt. Erschöpft durch einen Gewaltmarsch, den das durch die Konzentration der Truppen verursachte Gedränge verlangsamte, haben wir in der Nacht unsere Biwaks vor Fleurus eingerichtet, einem Ort, den drei französische Siege berühmt gemacht haben. Unsere gesamte Streitmacht befand sich dort. Der Kaiser und seine Garde waren in Charleroy. Mit einem preußischen Korps, das Fleurus besetzte, waren also zwei Armeen gegenwärtig.

Die Sonne des 16. beschien einen glorreichen Tag, doch war dies wie einer dieser Momente des Wohlbefindens und der Hoffnung, die einen Kranken auf seinem Totenbette täuschen, der letzte Schimmer einer Fackel, die dem Verlöschen nahe ist. Das Gefecht begann erst gegen 3 Uhr nachmittags. Der linke Flügel wurde vom Marschall Ney befehligt, der rechte Flügel vom Marschall Grouchy, im Zentrum war mein Armeekorps. Die Reserve bestand aus der Kaisergarde und den Kürassieren des Generals Milhaud. Die preußische Armee, die uns alleine gegenüberstand, war, so sagt man, fünfundachtzigtausend Mann stark. Wir waren zahlreicher, doch infolge einer Bewegung, die von unserem linken Flügel ausgeführt wurde, nahmen von uns nur etwa sechzigtausend Männer am Kampf teil. Nachdem wir Fleurus passiert hatten, das vom Feind nicht verteidigt worden war, haben wir ihn hinter dieser Stadt gut postiert angetroffen. Unser Armeekorps ist das erste gewesen, das handgemein wurde. Seine Taten hatten als Hauptschauplatz die Umgebung des Dorfes Saint-Amand, wo mit Erbitterung bis 8 Uhr abends gekämpft wurde. Ohne auf strategische Einzelheiten einzugehen, die zu weit führen würden, beschränke ich mich darauf zu sagen, daß die preußische Armee trotz heftigem und ehrenvollen Widerstand auf allen Punkten geschlagen worden ist, und daß sie in der Nacht in vollem Rückzug war, dabei 40 Geschütze, ihre Verwundeten, die Bagage und mehrere Fahnen zurücklassend. Ihr Verlust wird auf zwanzigtausend Mann geschätzt, der unsrige auf acht- bis neuntausend. Der Feldmarschall Blücher, bei einer momentanen Flucht seiner Kavallerie vom Pferd geworfen, wäre beinahe gefangengenommen worden. Die Resultate wären noch größer gewesen, wenn das Gefecht früher begonnen hätte. Die Dunkelheit hat den Rückzug begünstigt.

Ich habe bereits gesagt, daß unser linker Flügel nicht an der Schlacht von Fleurus teilgenommen hat. Er hatte sich gegen die englische Armee gewandt, die vorrückte, um sich mit den Preußen zu vereinigen. Das besondere Gefecht, welches am selben Tag auf dieser Seite stattgefunden hat, ist blutig, aber wenig entscheidend gewesen. Engländer, Hannoveraner und Belgier haben dort vier- bis fünftausend Mann verloren, und wir ungefähr genausoviele. Der Herzog von Braunschweig wurde dabei getötet, und der Prinz von Oranien verwundet. Auf beiden Seiten haben die Truppen, wie gesagt wird, große Tapferkeit an den Tag gelegt.

Ich habe Gelegenheit gehabt, mit dem Betragen meines neuen Regiments während dieses glänzenden Tage zufrieden zu sein. Nachdem es die Preußen aus Saint-Amand hinausgeworfen hatte, gegen das diese indessen unaufhörlich neue Angriffe richteten, mußte die Brigade, die es mit dem 70sten Linienregiment bildet, sich jenseits dieses Dorfes entwicklen, um letzteres zu decken. Die feindliche Kavallerie ist gekommen, um es mit uns aufzunehmen, und wir haben uns bereit gemacht, um sie schachbrettartig in Regiments-Karrees zu empfangen. Das 70ste war zu meiner Linken, und die Preußen richteten sich zunächst mit ziemlicher Entschlossenheit gegen dieses Regiment. Ich glaube zwar, daß sie ihren Angriff nicht bis zum Ende durchgeführt hätten, doch, ohne sie abzuwarten, wich dieses unglückliche Regiment, eingeschüchtert, zurück und wurde sofort attackiert und niedergesäbelt. Wenn dieser panische Schrecken auch mein 22stes überkommen hätte, wäre die Brigade verloren gewesen, aber es hielt sich gut, wies den Angriff, der sogleich gegen es ausgeführt wurde, entschlossen ab, bedeckte die Ebene mit Männern und Pferden, die durch ein wohlgelenktes Feuer niedergeworfen wurden, und das Übel war wiedergutgemacht. Die Flüchtlinge des 70sten konnten sich hinter meinem Karree sammeln, und bald nahmen sie wieder ihren Platz zu meiner Linken ein, wie vorher. Stärker angelockt durch die geringe Festigkeit des 70sten als in Schach gehalten durch meine Haltung und meine Musketenschüsse, versuchten andere preußische Kavallerie-Einheiten noch neue Angriffe gegen uns, doch dieses Mal tat das 70ste, angefeuert durch die Stimme seines exzellenten Colonels, Herrn Maury, seine Pflicht, und die Angreifer wurden stets zurückgeschlagen und stark mitgenommen. Als sie die Fruchtlosigkeit ihrer Bemühungen einsahen, ließen die Preußen, begünstigt durch eine Geländefalte, zwei Kanonen vorrücken, die uns bis zu dem Moment Kartätschen entgegenschickten, als alles, darunter auch die Reserve, also die Kaisergarde, sich ins Zeug legte und endlich das Schlachtfeld leerfegte und uns den Sieg gab. All dies geschah nicht, ohne viele Leute zu verlieren. Das 70ste, gebührend zusammengehauen, hat seine Reihen stark gelichtet gesehen. Mein 22stes hat 26 Tote gehabt, darunter ein Officier, und 194 Verwundete, darunter 8 Offiziere.

Eine Nacht im Biwak auf dem Schlachtfeld beendete diesen schönen Tag.

Am folgenden Tag, dem 17., benachrichtigt, daß es das Glück haben würde, eine Revue vor dem Kaiser zu haben, war das 3. Armeekorps bei Tagesanbruch in einer Linie, in Regimentsmassen, formiert. Von links an dieser Linie angekommen, stieg seine Majestät vom Pferd, ging langsam von einem Truppenteil zum anderen, und hielt an, um sich mit jedem Colonel zu unterhalten und ihm die üblichen Fragen zu stellen. Ich hatte den Kaiser seit dem Tag, als er mich zum Colonel machte, nicht mehr gesehen, bald zwei Jahre ist es her, und was hat sich alles ereignet seit dieser Zeit! Auch schlug mein Herz, als ich ihn sah, mit noch mehr Kraft als es es sonst in seiner Gegenwart zu tun pflegt. Ich ging bis an die Spitze meiner Kolonne, auf der Seite zur Kolonne hin, die vom 70sten formiert wurde, spitzte meine Ohren und vernahm: « Wieviele Mann zum Dienst? - Soundsoviele, Euer Majestät. - Ihr Regiment hat sich gestern vor der preußischen Kavallerie nicht gehalten. - Euer Majestät, ich hab viele junge Soldaten, die noch nie einen Feind gesehen hatten und die Angst bekommen hatten, aber die Unordnung war rasch wieder beseitigt. - Ja, doch ohne das 22ste, das zu Ihrer Rechten war und das brav seine Pflicht getan hat, bis wohin wären Sie gelaufen? Guten Tag, Colonel Maury, machen Sie diesen Fehler wieder gut. »

- Und der arme Colonel, errötet, beschämt, wußte kein Wort mehr zu sagen.

Beim Weggehen vom 70sten hatte der Kaiser ein gestrenges Aussehen. Er wurde heiterer, als er sich mir mit kleinen Schritten näherte, die Hände hinter dem Rücken, und als ich ihm mit meinem Degen salutiert hatte, fand ich in wohlwollender Stimmung. Nachdem er seinen Adlerblick fest auf mich gerichtet hat: « Ich kenne Sie, Sie waren in meiner Garde?

- Ja, Euer Majestät, ich hatte die Ehre, in ihr zu dienen, und ich verdanke alle meine Beförderungen Ihnen. - Gut. Wieviele Mann zum Dienst?

- 1830, Euer Majestät. - Wieviele haben Sie gestern verloren? - 220. - Ich habe von der Mühle aus Ihre gute Haltung vor dem Feind gesehen. Sie haben seine Angriffe tapfer zurückgeschlagen. Das ist gut, wir werden uns wiedersehen. Die Preußen haben viele Musketen auf dem Schlachtfeld zurückgelassen, was wird damit gemacht? - Euer Majestät, wir machen Schinken [jambons] daraus, wie es der Brauch ist (ein militärischer Ausdruck, der bedeutet, daß man die Waffe zerstört, indem man ihr den Kolben abschlägt). - Sie haben Unrecht, sehr Unrecht. Ich habe den Befehl gegeben, diese Musketen sorgfältig einzusammeln, um damit unsere Nationalgarden im Inneren zu bewaffnen, und die Artillerie hat den Auftrag, den Soldaten, die sie abliefern, für jede so konservierte Waffe drei Francs auszuzahlen. - Euer Majestät, dieser Befehl wurde mir noch nicht mitgeteilt. » - Sich zur goldbetreßten Gruppe umdrehend, die ihm folgte: « Sie hören es, ein so wichtiger Befehl ist noch nicht bekannt. Dem muß abgeholfen werden, und zwar so rasch wie möglich. Adieu, Colonel, ich bin zufrieden mit Ihnen und mit Ihrem Regiment. »

Mit diesen Worten ging der Kaiser weiter zum nächsten Regiment, zu meiner Rechten, und entfernte sich allmählich völlig. Ich habe ihn seit diesem kurzen Erscheinen nicht wiedergesehen, und Gott allein weiß, ob sie jemals wahr werden, diese Worte der Güte und Verheißung aus seinem Munde, die mir ankündeten: Wir werden uns wiedersehen!

Allouis (Cher), 23. Juli 1815.

Ich fahre mit meinem gestern begonnenen Bericht fort.

Der am Vortage so gebeutelte Feldmarschall Blücher war im vollen Rückzug, sofort nach der vom Kaiser hastig durchgeführten Revue erhielten das 3. und 4. Korps, die Division Teste des 6. Korps und die Kavallerie von Excelmans und Pajol den Befehl, den Preußen zu folgen, während Seine Majestät mit dem Gros der Armee nach links marschierte, um Wellington zu erledigen. Aus dieser Trennung resultierte unser Unglück. Der Marschall Grouchy, der das Kommando über den rechten, zweiunddreißigtausend Mann und über 100 Geschütze starken Flügel hatte, vollzog seine Bewegungen, die doch große Schnelligkeit erforderten, mit solcher Langsamkeit, daß man nur 2 Lieues [ca. 9 km] vom Schlachtfeld des Vortages entfernt in der kleinen belgischen Stadt Gembloux Halt machen mußte, da man die Spuren der preußischen Armee verloren hatte und nicht wußte, ob sie sich in Richtung Brüssel oder in Richtung Lüttich gewandt hatte. Man biwakierte jenseits von Gembloux, dessen Bevölkerung uns mit dem Klang aller ihrer Glocken und den Rufen Vive l'Empereur! empfing, was indessen, nebenbei bemerkt, unsere Plünderer nicht davon abhielt, dort tausend Unordnungen zu begehen.

Nachdem während der Nacht endlich sichere Nachricht eingekommen war, daß es in Richtung Brüssel war, wohin die Preußen marschierten, nahmen wir bei Tagesanbruch diese Marschrichtung. Vor Wavre, einer Stadt an der Dyle, angekommen, fanden wir sie dort in Stellung und wurden sogleich handgemein. Statt die Dyle oberhalb oder unterhalb von Wavre zu überqueren, wo sie an mancher Stelle leicht furtbar war, wollte der General Vandamme, der beauftragt war, sie zu überschreiten, um den Feind zu vertreiben, eine Brücke in der Stadt selbst wegnehmen, die sorgfältg verbarrikadiert und von Tausenden von Schützen in den Häusern auf dem anderen Ufer gedeckt war. Man hätte diese feste Stellung umgehen müssen, doch dieser General setzte sich in den Kopf, sie mit Massen von vorne anzugehen, welche, auf einer langen, senkrecht auf die Brücke führenden Straße eingesetzt, das ganze Feuer der Preußen erhielten, ohne ihr eigenes anbringen zu können. Wir verloren dort ohne Erfolg eine Menge Leute. Das 70ste Regiment, dasselbe, das sich schon zwei Tage vorher blamiert hatte, und das den Auftrag erhalten hatte, die Brücke unter einem Hagel von Geschossen freizufegen, wurde in die Flucht geschlagen. Von seinem Colonel wieder nach vorne geführt, zögerte es noch, als der tapfere Maury seinen Adler ergriff und ausrief: « Wie, ihr Schurken, ihr habt mich vorgestern entehrt, und ihr werdet heute rückfällig! Vorwärts. Folgt mir! » - Seinen Adler in der Hand, eilt er über die Brücke, La Charge wird geschlagen, das Regiment folgt ihm. Doch kaum hat er die Barrikaden erreicht, stürzt dieser würdige Kommandeur tot zu Boden, und das 70ste flieht aufs Schönste, und so rasch, daß ohne die Hilfe von Männern meines 22sten der Adler, der auf der Mitte der Brücke an der Seite meines armen, leblos dahingestreckten Kameraden zu Boden gefallen war, zur Beute der feindlichen Tirailleurs geworden wäre, die bereits versuchten, sich seiner zu bemächtigen.

An anderen Stellen hatten unsere Angriffe von dem einen Ufer der Dyle auf das andere auch nicht mehr Erfolg, da sie schlecht koordiniert und halbherzig ausgeführt wurden und das Terrain schlecht erkundet worden war. Gegen Einbruch der Dunkelheit gelang es indessen, den Fluß oberhalb von Wavre zu überqueren. Es war zu spät.

Am nächsten Tag räumte der General Vandamme ein, einen Fehler gemacht zu haben, doch das Übel war geschehen. Es ist umso beklagenswerter, daß man wertvolle Zeit so schlecht verwendet hatte, weil der Verlust der Schlacht von Waterloo keinen anderen Grund als diesen hat. Während die Preußen uns mit einem Schirm von Tirailleuren beschäftigten und in Schach hielten, marschierte ihre Hauptmacht, begünstigt duch ein ein hügeliges und bewaldetes Gelände, welches sie unseren Augen verbarg, den Engländern zu Hilfe, und ihr plötzliches Erscheinen in der rechten Flanke unserer im Kampf mit Wellington befindlichen Armee verwandelte einen bereits sicheren Sieg in eine unbegreifliche Niederlage. Mittags wäre noch Zeit gewesen, eine Bewegung aller Truppen in Richtung von Waterloo auszuführen. Hätte man so mit Schnelligkeit gehandelt, wären die Preußen, zwischen zwei Feuer geraten, vernichtet worden, und ganz Belgien hätte uns gehört. Daß diese Bewegung nicht ausgeführt worden ist, ist nicht die Schuld der Generale, welche den Marschall Grouchy umgaben. Diese urteilten richtig, daß bei dieser ungeheuren Kanonade, die sich wie ein ununterbrochener Donner anhöhrte, unsere Mitwirkung dort notwendig war. Auf alle ihre Appelle hat der Marschall stets geantwortet: Der Kaiser hat mir den Befehl gegeben, bis nach Wavre vorzustoßen und hier seine weiteren Befehle abzuwarten, und ich rühre mich hier nicht von der Stelle. Als ob es im Kriege nicht unvorhergesehene Umstände gäbe, die eine sofortige Änderung der Entscheidungen erfordern, als ob es nicht die erste Pflicht eines Generals wäre, den Feind, den er verfolgen soll, niemals aus den Augen zu verlieren. Und war es im übrigen nicht offensichtlich, daß die Preußen unbedingt versuchen würden, sich mit ihren Alliierten zu vereinigen? Es ist diese Vereinigung, die man vor allem anderen verhindern mußte, denn durch sie wäre alles verloren gegangen, da der Kaiser nicht mehr stark genug gewesen wäre, um den vereinten Anstrengungen seiner Widersacher zu widerstehen, nachdem er den Fehler begangen hatte, sich von zweiunddreißigtausend Mann zu trennen, und den noch größeren Fehler, deren Kommando dem Herrn Marquis de Grouchy anzuvertrauen.

Dieser törichte und halbherzige Angriff auf Wavre und die lange Schießerei, die ihm folgte, hat uns am Ende ziemlich viele Leute gekostet. Mein 22stes hat dort 146 Mann verloren, andere Regimenter weitaus mehr. Die Generale Alix und Penne sind dort gefallen, die Generale Gérard und Habert wurden verwundet.

Unzufrieden mit uns selbst, und sehr in Unruhe über das Resultat der lebhaften und langen Kanonade, die wir während des Tages aus der Richtung von Mont-Saint-Jean gehört hatten, und die erst gegen Abend endete, haben wir die folgende Nacht im Biwak vor den Toren dieser unglückseligen Stadt Wavre verbracht, während sie von dem während des Gefechtes entstandenen Brand verzehrt wurde.

Während sie so ohne unser Wissen und vor unserer Nase in Richtung Mont-Saint-Jean marschierten, ein riskantes, doch geschicktes Manöver, durch das wir bei Waterloo geschlagen worden sind, hatten die Preußen ein schwaches Korps vor uns zurückgelassen, um uns hinters Licht zu führen. Am Morgen des 19. haben wir mit diesem noch einige Gewehrschüsse gewechselt, doch bald verschwand es völlig und eine unheilschwangere Stille verbreitete sich über den Feldern, deren Erde am Vortag noch unter den Lärm der Detonationen der Artillerie gebebt hatte. So standen die Dinge, als unser Oberkommandierender endlich gegen 11 Uhr von einem Offizier des Generalstabs, welcher wie durch ein Wunder den Streifpatrouillen des Feindes, des Herren des ganzen Landes, entgangen war, die verhängnisvolle Neuigkeit erfuhr und es für angebracht hielt, so schnell wie möglich seinen Rückzug nach unserer Grenze zu bewerkstelligen. Diese Bewegung, angesichts einer siegreichen Armee, die uns jeden Augenblick anfallen konnte, war ebenso notwendig wie gefährlich. Der Marschall hatte beeindruckende Kräfte und eine zahlreiche Artillerie zur Verfügung, doch er hing in der Luft, ohne Rückhalt, und man weiß, was leider viel zu oft von Franzosen auf dem Rückzuge oder am Tage nach einer Niederlage zu halten ist. Dieser rückwärtige Marsch wurde, obwohl beschleunigt, in guter Ordnung in zwei Kolonnen in Richtung Namur ausgeführt. Während des ganzen Tages ließ sich der Feind nicht blicken, und in der Nacht befanden wir uns eine Viertel-Lieue [ca. 1 km] von Gembloux, wo wir einige Stunden hielten, ohne Feuer zu machen, und in derselben Ordnung, die wir auf dem Marsch hatten.

Am folgenden Tag, gegen 1 Uhr morgens, machte sich unsere Armee traurig und schweigsam wieder auf den Weg. Auch wenn wir guten Willens waren, unsere Schritte zu beschleunigen, konnten wir es doch nicht. Die Kavallerie und Artillerie, die notgedrungen den Chausseen folgten, marschierten noch fast bequem, doch die arme Infanterie, die in der dunklen Nacht quer über die Felder marschieren mußte und auf Schritt und Tritt Hecken oder Gräben vorfand, kam nur in Unordnung und sehr beschwerlich voran. Selber zu Fuß und durch meine großen Reitstiefel behindert, denn es war unmöglich, zu Pferde zu bleiben, marschierte ich mit unendlicher Mühe über die Äcker, und ich bin dabei oftmals gestürzt, bis endlich der Tag anzubrechen begann. Wenn während dieses Augenblicks der Feind sich gezeigt hätte, wäre überhaupt kein Widerstand möglich gewesen. Die Infanterie hatte sich so sehr vermengt, nicht nur Kompanie mit Kompanie, sondern Regiment mit Regiment, daß mehr als eine Stunde verloren gehen mußte, um hier wieder etwas Ordnung hineinzubringen. Es war heller Tag, als man sich, die Reihen einigermaßen geordnet, wieder in Bewegung setzen konnte. Schon erblickten wir die Höhen von Namur, die uns einen guten Rückhalt bieten würden, als plötzlich von unserer Arrieregarde her zwei Kanonenschüsse ertönten. Dieser Lärm gefällt dem Soldaten, der auf den Feind zumarschiert, er heitert sämtliche Gesichter auf. Doch auf dem Rückzug, und in der moralischen Verfassung, in die uns der unerhörte Rückschlag von Waterloo geworfen hatte, der trotz aller Bemühungen, ihn zu verschweigen, unseren Untergebenen kein Geheimnis geblieben war, bewirkte er genau den gegenteiligen Effekt: Da sind sie! sagten mit Beklommenheit dieselben Männer, die noch drei Tage vorher den Preußen mit Kampfesbegierde entgegengegangen waren. Mit Ungestüm angegriffen, wurde die Arrieregarde, auf welche diese beiden Schüsse abgefeuert worden waren, zunächst in Unordnung gebracht, und sie ließ sich zwei Kanonen wegnehmen, die sie bei sich hatte. Zum Glück breitete sich das Übel nicht weiter aus und wurde rasch wiedergutgemacht. Der Teil unserer Marschkolonne, der an der Spitze war, erreicht Namur im Laufschritt, die Truppen, die am Ende sind, machen kehrtum, eine glänzende Attacke unserer Kavallerie auf die preußische Avantgarde wirft diese über den Haufen und nimmt ihr nicht nur die beiden Kanonen weg, die wir soeben verloren hatten, sondern auch noch eine ihrer Haubitzen. Dieser Beginn des Gefechts war von guter Vorbedeutung. Verblüfft durch einen unerwarteten Widerstand, haben die Preußen gehalten, um sich durch ihre nachfolgenden Truppen zu verstärken, und wir haben ihr Zögern genutzt, um Namur stark mit Truppen zu besetzen, überall, wo sie von Nutzen sein konnte, Artillerie zu plazieren, die Brücken, Stadttore, Ausgänge zu verbarrikadieren, kurz: alles zu tun, um den Feind aufzuhalten. Die Wälle von Namur, früher eine Festung, die in den alten Kriegen mit den Herren der Niederlande immer wieder erobert und zurückerobert worden war, sind heute geschleift, doch seine Lage am Zusammenfluß von Sambre und Maas, zwischen zwei Bergen und am Eingang eines langen, nach Frankreich führenden Defilees, machen es immer noch zu einem strategischen Punkt von großer Bedeutung. Ermutigt durch ihren jüngsten Sieg, trunken von Branntwein und überzeugt, mit demoralisierten Truppen zu tun zu haben, warteten die Preußen nicht lange, um uns mit zahlreichen Kolonnen anzugreifen. Zurückgeschlagen, erneuerten sie ihren Angriff mehrere Male, immer ohne den geringsten Erfolg. Während dieser Versuche haben sie durch das Feuer unserer Artillerie, die sie von vorne und von schräg beschoß, und ebenso durch das unserer Infanterie, einen enormen Verlust erlitten. Ihre Toten und ihre Verwundeten bedeckten das Gelände vor uns über eine weite Strecke. Nachdem deutlich gezeigt worden war, daß wir nicht bezwungen werden konnten und daß die Preußen Namur erst dann einnehmen würden, wenn wir es freiwillig verlassen wollten, begannen unsere Truppen, die Sambre zu überqueren und das Defilee die Maas entlang hinaufzumarschieren, um ihren Rückzug nach Frankreich zu bewerkstelligen. Das 3. Korps, zur Arrieregarde bestimmt, blieb bis zum Abend in der Stadt, um dieser riesigen, von Artillerie, Gepäck und Verwundeten behinderten Kolonne Zeit zu geben, sich zu entfernen. Nach Einbruch der Dunkelheit, als alles in Sicherheit war, verließen die letzten französischen Truppen Namur, der Feind betrat es erst, nachdem wir es freiwillig aufgegeben hatten.

Während dieses langen Tages voller Feindseligkeiten haben uns die Einwohner von Namur, ohne durch den Schlachtenlärm eingeschüchtert zu wirken, auf großzügige Weise alle mögliche Unterstützung geboten. In jedem Haus wurden unsere Verwundeten aufgenommen, Lebensmittel wurden an Soldaten wie an Offiziere in Fülle gegeben, kein Weinkeller blieb verschlossen. Man wetteiferte, wer uns ihre Opfergabe an Nahrung, Wein und Leinwand zum Verbinden darbringen würde. Die elegantesten Damen, die Mehrzahl hübsch, zeigten sich ganz genauso beflissen wie die Frauen des einfachen Volkes. Man hörte von allen Seiten Zeugnisse der Sympathie für uns, und Verwünschungen der Preußen, Bekundungen, die umso aufrichtiger waren, als die gute Bevölkerung sehr wohl sah, daß wir sie bald verlassen würden. Ich kann nicht ausdrücken, wie herzlich und rührend diese so allgemeine Demonstration war. Ach! Mögen wir uns daran erinnern, wenn wir eines Tages, glücklicher, unsere Waffen wieder nach Belgien zurücktragen. Wir haben dort eine Sympathie gefunden, die Frankreich Schande macht.

Jenseits von Namur wird das schützende, enge Defilee, von dem ich gesprochen habe, links von der Maas und rechts von einer Kette hoher bewaldeter Hügel flankiert. Seit dem Morgen hatte sich unser Fuhrpark hier hineinbegeben. Wir haben ihn die ganze Nacht hindurch, vom 20. auf dem 21., hinaufgebracht, ohne dabei vom Feinde gestört zu werden.

Am Tag friedlich unseren Rückzug fortsetzend, haben wir Dinant erreicht, eine kleine, auf allen Seiten von Erhöhungen beherrschte Stadt, wo auf das rechte Ufer der Maas übergegangen wurde.

Seit Namur vermehrte noch ein andauernder Regen den Verdruß und die Anstrengungen des Rückzuges und verdarb die Straßen, denen wir folgten. Erschöpft, ohne Lebensmittel, bekümmert wegen unserer Zukunftsaussichten, sind wir traurig nach Frankreich zurückgekommen, durch dieselbe Stadt Givet, in der ich einst Tage des Glücks und der Unbeschwertheit verbracht hatte. Die Bevölkerung dieser Stadt ist nicht wenig überrascht gewesen, so viele so intakte Truppen und eine so beeindruckende Artillerie durchmarschieren zu sehen, sie war durch allerlei Nachrichten überzeugt gewesen, daß alles bei Waterloo verlorengegangen oder in den Händen des Siegers geblieben wäre. Diese übertriebenen Gerüchte, die sich bald unter unseren Soldaten verbreiteten, haben die letzteren vollends entmutigt. Es waren nun nur 9 Tage, seit sie besten Mutes den Feldzug begonnen hatten, doch nach ihrer vernachlässigten Kleidung, ihren langen Gesichtern, ihrer physischen und moralischen Entkräftung schien es, als würden sie den Anstrengungen und Entbehrungen eines langen Krieges erliegen. Die Franzosen brauchen Erfolge, bei Rückschlägen sind sie noch weniger als Weiber. Die Armee, es muß gesagt werden, hat nicht gehalten, was sie versprochen hat. Zahlreichen Offizieren mangelte es an Entschlossenheit und Energie. Kaum zurück in Frankreich, sind wir von Böswilligen heimgesucht worden, die ihre Freude darin fanden, die ärgerlichsten Nachrichten von sich zu geben und die nur zu viel Glauben fanden. Während man sich vereinigen und dem Widersacher Trotz bieten mußte, hat man alles getan, um das, was uns an Kraft blieb, aufzulösen und die Invasion zu erleichtern. Armes Frankreich! Deine Stunde hatte geschlagen.

Chaillac (Indre), 4. August 1815.

Am 22. Juni hat mein Armeekorps, das die vorherige Nacht in Givet verbracht hatte, nicht weit von Rocroy biwakiert, nahe des Weilers Hiraumont. Es regnete stark, und trotz aller Vorsichtsmaßnahmen mußten die Bewohner ringsum unter der Disziplinlosigkeit unserer Soldaten leiden, die überall nach Lebensmitteln und Unterschlupf suchten. Diese Exzesse und die Annäherung des Feindes versetzten die Bevölkerung in Angst und Schrecken.

Die Ardenner, von denen es ziemlich viele in unseren Regimentern gibt, sahen sich in ihrer Heimat und folgerten aus dem schlechten Zustand unserer Angelegenheiten, daß es nun leicht sein würde, sich dem militärischen Joch zu entziehen, so haben sie am 23. begonnen, zu desertieren und nach Hause zurückzukehren. Der Ort Maubert-Fontaine war drei Tage vorher von Ausreißern der bei Waterloo in die Flucht geschlagenen Armee geplündert worden. Seine Einwohner ängstigten sich im Gedanken an die fremde Invasion zu Recht, da im letzten Feldzug dort sämtliche Frauen und Mädchen geschändet worden waren und im Ort das unterste zuoberst gekehrt worden war. Sie haben sich zweifellos darin getäuscht, daß die Palisaden, mit denen sie kürzlich ihre Höfe befestigt haben, sie vor der Wiederholung ähnlichen Unheils schützen könnten.

Der Regen setzte sich am 24. fort, wie in den vorangegangenen Tagen, und wir haben umsomehr darunter gelitten, als wir uns auf schlechten Wegen voller Hindernisse fortbewegten. Nachdem wir so unter Mühen in die Mitte der Wälder und Hügel der Ardennen vorgestoßen waren, haben wir uns zur Unterkunft mehr schlecht als recht im Dorfe Wagnon eingerichtet.

Am 25. sind wir an dem kleinen Dorf Réthel vorbei zum Dorfe Bergnicourt gelangt. Die Desertion der Ardenner Soldaten setzte sich fort.

Am 26. hat uns Reims beherbergt, und wir konnten dort sehen, wie wenig Einigkeit in unserer öffentlichen Meinung herrscht. Während die Rückschläge der Armee die einen niederdrücken, stellen die anderen eine unverschämte Freude über ihre Niederlage zur Schau, und zeigen sich zufrieden mit der Annäherung des Feindes. So weit ist es in Frankreich gekommen.

Meine Brigade hat am 27. im Dorfe Courcelles genächtigt, einem schlechten Quartier. Ich habe dort ein Landhaus in Beschlag genommen, das dem General de Vaubois gehört.

Ein forcierter Marsch hat uns am 28. nach Braisne-sur-Vesle und anschließend bis Soissons gebracht, wo in aller Hast an den Befestigungswerken gearbeitet wurde, die kaum ein großes Hindernis für die Invasion darstellen dürften. Nachdem wir erfahren hatten, daß der Feind in großer Stärke Compiègne besetzte, und daß der General Pajol, der mit seiner Kavalleriedivision vor uns auf Paris vorrückte, sich durch seine eigene Schuld bei Villers-Cotterêts seine Artillerie hatte wegnehmen lassen, haben wir eine nach links führende Route genommen, die uns über Laferté-Milon (Geburtsort von Racine) zum Dorf Billemont geführt hat, wo wir ziemlich erschöpft angekommen sind. An diesem Tage sah ich mit Kummer, daß die Städte, und mehr noch die Dörfer, bereits von ihren Bewohnern verlassen worden waren, welche unsere eigenen Plünderer im gleichen Maße füchteten wie diejenigen des Feindes.

Ein weiterer forcierter Marsch ließ uns am 29. Meaux und Lagny durchqueren, um beim Dorf Champs, auf dem linken Ufer der Marne, zu biwakieren. Wir sind vom Feinde nicht beunruhigt worden, welcher sich bereits auf dem gegenüberliegenden Ufer eingerichtet hatte und der durch unsere lange Seitenbewegung leichtes Spiel gehabt hatte, dies zu tun.

Am 30., nachdem wir die Marne bei Saint-Maur erneut überquert hatten und an Vincennes vorbeimarschiert waren, ist unser Armeekorps durch die Barrière du Trône in Paris eingerückt und durch die Barrière d'Enfer wieder ausgerückt, und hat vor den Toren der Hauptstadt in der Ebene von Montrouge, auf der Straße nach Orléans, das Lager aufgeschlagen.

Der 1. Juli verlief ohne besondere Vorkommnisse im Lager, aber am 2. haben wir eine Bewegung in Richtung Grenelle ausgeführt, weil der Feind, der durch das Tal von Montmorency marschiert war, die Seine oberhalb von Paris überquert und sich bei Saint Germain und Versailles gezeigt hatte. Dies war eine große Unvorsichtigkeit von seiner Seite. Hätte man die Kavallerie von Exelmans, welche mitten in den Straßen von Versailles mit derjenigen der Preußen ein glänzendes Gefecht hatte, kräftig unterstützt, hätte man einen bedeutenden Vorteil über diese so verwegen aufs Spiel gesetzten Truppen erzielt, doch es stand geschrieben, daß sich alles gegen uns verschwören sollte, und unsere unbegreifliche Inaktivität erlaubte den Siegern die törichtsten Unternehmungen. Excelmans, nicht unterstützt, mußte dahin zurückgehen, woher er gekommen war. Ein Tirailleurgefecht, das sich vor unseren Augen in Richtung Meudon abspielte, konnte unsere sogleich entmutigten Kommandeure nicht aus ihrer Apathie wecken, und wir kehrten in unser Lager bei Montrouge zurück.

Die anderen französischen Korps, die nacheinender auf das linke Ufer der Seine übersetzten, vereinigten sich am 3. mit uns, und so fand sich der Marschall Davoust, der das Oberkommando übernommen hatte, an der Spitze einer Armee, die stark genug war, um eine Schlacht vor den Toren von Paris zu liefern. Wir manövrierten in dieser Hoffnung, doch der Tag verrann, ohne daß der Feind Anstalten machte, den hingeworfenen Fehdehandschuh aufzunehmen. Er wußte bereits, daß Paris und Frankreich ihm kampflos übergeben werden würden. Der Kaiser war nicht mehr da, und die Zwietracht, die Furcht und der Verrat hatten freies Spiel.

Am Morgen des 4. erfuhren wir im Lager, daß das Maß der Schändlichkeit übervoll war. Duch eine verabscheuenswürdige Kapitulation, in der nichts für die Rechte des Landes und die Interessen der Armee vereinbart worden war, hatten Leute ohne Auftrag mit Seiner Hoheit Blücher und Seiner Exzellenz Wellington bestimmt, daß Paris den Alliierten geöffnet und die französischen Truppen sich sogleich bis hinter die Loire zurückziehen würden, auf diese Weise ihr Vaterland im Stich lassend, ohne durch das Waffenglück dazu gezwungen zu sein. Wenn man von den Franzosen spricht, die es gewagt haben, ihren Namen unter eine solche Übereinkunft zu setzen, kann man nur wiederholen, was Napoléon über Dupont bei Baylen gesagt hat: Weshalb ist Ihre Hand nicht bei der Unterzeichnung verdorrt? Die Nachwelt, die auf eine solche Feigheit in unserer Geschichte stößt, wird es schwer haben, zu begreifen, wie es möglich ist, daß eine französische Armee sich so unter das Kaudinische Joch der Preußen und Engländer gebeugt hat, die zusammen höchstens von gleicher Stärke waren wie sie selber, und die hätten überwältigt werden müssen, bevor die Russen und Östereicher, ihre Alliierten, ihnen zur Hilfe hätten kommen können.

Kaum hatte die Armee Kenntnis von der Kapitulation bekommen, als unsere Soldaten, aufgewiegelt von einer Schar von Arbeitern, Föderierten und dunklen Gestalten, denen nichts anderes im Sinne stand als zu plündern, davon sprachen, sich auf den Weg nach Paris zu machen, da man dorthin gehen müsse, um die Verräter zu bestrafen, und es besser wäre, sich das, was ihnen gehörte, zu nehmen, als es dem Feinde zu überlasssen. Wenn in diesem Moment die Stimme der Offiziere kein Gehör gefunden hätte, wäre unermeßliches Unglück daraus entstanden. Paris weiß vielleicht gar nicht, in welcher Gefahr es sich damals befand. Wir waren so glücklich, die unseren Truppen fremden Aufwiegler aus dem Lager zu jagen, und unsere Soldaten daran zu hindern, über die Zollschranken in die Hauptstadt einzudringen, doch nicht ohne Mühen.

Für einen Teil unserer Armee hatte die Rückzugsbewegung zur Loire bereits am 4. begonnen. Das 3. Korps folgte am nächsten Tag, nicht ohne die Urheber einer derartigen Schändlichkeit laut zu verfluchen. Am Abend wurden unsere Biwaks bei Arcueil bezogen, auf der Straße nach Orléans, in Sichtweite der Posten eines preußischen Korps, welches uns folgte und unseren Marsch überwachte. Die Einwohner, die von den französischen und den feindlichen Marodeuren zugleich heimgesucht wurden, ergriffen die Flucht, die Disziplinlosigkeit und die Desertion schwächten unsere Reihen, was unter solchen Umständen leicht vorherzusehen war. All dies vermehrte unsere Trostlosigkeit.

Der Empfang, der unserer Armee in Orléans bereitet wurde, war mehr als kalt. Man zeigte uns deutlich, welche verräterischen Hoffnungen dort unser Unglück und die neue Abdankung des Kaisers erweckt hatten. Die Preußen, die uns folgten, sind zweifellos ganz anders aufgenommen worden. Man dachte edler in Orléans, als diese berühmte Jungfrau, die ihren ruhmreichen Beinamen von dieser Stadt nahm und deren Statue einen ihrer Plätze schmückt, dort für die Vertreibung derselben Engländer focht, die man heute dort wie Brüder behandeln will. Ach! Die Zeit ist vergangen, als ein junges Mädchen genügte, um Frankreich seiner ewigen Feinde zu entledigen. Heute besetzen sie seine Hauptstadt, und niemend träumt auch nur davon, sie von dort wegzujagen. Die Armee, die sie vor dieser Schande hätte bewahren können, zieht sich ohne zu kämpfen schmachvoll zurück. Wie sind wir entartet!

Das 3. Korps hat die Nacht vom 10. auf den 11. in Orléans verbracht. Der Armee, nun Loire-Armee genannt, wurde dort der folgende Befehl bekannt gemacht:

TAGESBEFEHL

SOLDATEN! Euer Betragen verdient höchstes Lob. Die Mißgeschicke, die unseren Waffen widerfahren sind, haben euren Mut nicht niedergeschlagen. Ihr habt euch um eure Kommandeure geschart, und während der böse Wille bereits offen verkündete, daß es keine Armee mehr gäbe, habt ihr durch eure ehrfurchtgebietende Haltung die Achtung eurer Feinde errungen.

Ein ehrenhaftes Abkommen ist unterzeichnet. Die Hauptstadt bleibt von den Übeln des Krieges verschont: sie verdankt ihre Erhaltung euch!

Offiziere und Soldaten, wir werden hinter die Loire zurückmarschieren: unsere Interessen können nicht von denen des Vaterlandes geschieden werden. Auch wenn wir uns von Paris entfernen, bleiben wir doch eines Willens mit seinen Einwohnern und denen des übrigen Frankreich. Wir behalten die Nationalkokarde, wir verlangen den Frieden, aber wir wollen die durch so lange und so mühevolle Anstrengungen erworbene Ehre erhalten, und wir werden gelassen das Ergebnis der Verhandlungen abwarten, durch welche das Schicksal aller geregelt werden wird.

Eure Pflicht in der Armee war, mit Mut zu kämpfen, und ihr habt sie erfüllt. Eure Pflicht, sobald ihr die Kantonierungen im Inneren Frankreichs beziehen werdet, ist die strengste Disziplin, und ich erwarte sie von euch.

Die Kommandeure sollen stets bei ihren Soldaten bleiben, das Eigentum muß respektiert werden, und die Einwohner sollen euch als ihre Brüder und als ihre Verteidiger betrachten.

Die Regimenter müssen in guter Ordnung marschieren, und kein niederträchtiger Vorschlag soll bei euch Gehör finden. Die Armee wird ihr Wohl in der guten Haltung finden, die sie aufrechterhält, und derjenige, der fähig sein sollte, seine unglücklichen Feldzeichen zu verlassen, war nicht würdig, ihnen in den Tagen des Ruhmes zu folgen.

Im Hauptquartier zu Paris, den 4. Juli 1815.

Der Kriegsminister, Oberkommandierender der Armee,
Gezeichnet:
Marschall Fürst d'ECKMUHL.

Für die Abschrift:

Der Feldmarschall, Generalstabschef,
Graf GUILLEMINOT.

Tapferer und würdiger Davoust, dessen Herz so französisch und dessen Hände so rein sind, wie konnten Sie den schändlichen Vertrag, der Paris den Fremden ausgeliefert hat, als ehrenhaft bezeichnen und gleichzeitig die Zeilen schreiben, die ich markiert habe? Ja, derjenige, welcher seine unglücklichen Feldzeichen im Stich läßt, war nicht würdig, ihnen in den Tagen des Ruhmes zu folgen. Und wieviele schlechte Franzosen haben sich mit dieser Schande bedeckt, selbst Offiziere und Männer höheren Ranges, seit das Schicksal uns mit seiner Unerbittlichkeit niederdrückt!

Chaillac (Indre), 6. August 1815.

Nachdem es Orléans verlassen und die Loire überquert hatte, wendete sich das 3. Korps nach links, um diesen Fluß an Jargeau vorbei hinaufzumarschieren.

Als am 12. der Feind einige Truppen auf dem rechten Ufer zeigte, schloß man daraus, zu unrecht, wie ich denke, daß er ohne Rücksicht auf die Kapitulation von Paris die Absicht hätte, auf das linke Ufer überzusetzen und uns anzugreifen. Aufgrund dieser Annahme konzentrierte sich unsere Division bei Jargeau, wo sie die folgenden beiden Tage auf Beobachtungsposten blieb, jedoch ohne daß es zu Feindseligkeiten gekommen wäre.

Es war zu dieser Zeit, daß wir nicht nur ein wenig überrascht gewesen sind, in unserem Hauptquartier Gesandte aus der Vendée und Chouans ankommen zu sehen, die uns freiweg die Kooperation von allem, was in ihrem Lande Waffen tragen könne, anboten, um gemeinsam mit uns nach Paris zu marschieren und die fremden Armeen von dort zu verjagen. Sie sind herzlich aufgenommen worden, doch ihre so patriotischen, so rührenden Angebote sind nicht angenommen worden. Um solch edle Hingabe nutzen zu können, bedurfte es eines anderen Mannes als des Marschalls Davoust, zweifellos ein energischer und fähiger General, doch zu sehr gewohnt, zu gehorchen und Anstöße zu erhalten, als die Verantwortung für ein so kühnes Unterfangen auf sich zu nehmen. Ach! Warum hat er sofort an seinem Glück gezweifelt und Frankreich aufgegeben? Seine Aufgabe war es, die Tapferen aller Parteien unter derselben Fahne zu vereinigen. Indem wir die noch beeindruckenden Überreste der Armeen versammelt und an die Hilfe der Banden der Vendeer mit ihrem unbestreitbaren Mut appelliert hätten, hätten wir wieder die Offensive ergreifen und neue Wunder vollbringen können. Der Held hat sich wie ein einfacher Mensch niederwerfen lassen: Wer hätte das gedacht?

Am 16. Juli setzte sich die Armee erneut in Bewegung und ließ nur einige schwache Posten unserer Truppen zurück, um die Übergänge über die Loire zu bewachen und so die Grenze des Territoriums abzustecken, das der Sieger uns gerne lassen wollte.

Lagerie, nahe Puy-1'Evêque (Lot), 23. August 1815.

Da sind wir nun, ziemlich weit von den Posten, die unsere Armee an der Loire zurückgelassen hat, um das linke Ufer zu bewachen, und wenn es dem Feinde gefällt, sie zu belästigen, werden nicht wir es sein, die zur Hand sind, um ihnen zu Hilfe zu kommen. Doch darum geht es ja gerade.

Während eines Halts, den wir in Berry gemacht haben, hat die Loire-Armee ihren geschätzten Oberkommandierenden, den Marschall Davoust, verloren, welcher durch den Marschall Macdonald ersetzt worden ist. Nach den Gerüchten, die dort unter uns zirkulierten und die sich jetzt bestätigen, hat der erstere, als er erkannte, daß es um nichts weniger ging als die vollständige Auflösung der französischen Armeen, keinen Teil an dieser Schandtat haben wollen, und der letztere, offensichtlich gefügiger, hat zugestimmt, ihm im Kommando nachzufolgen, um eine Maßnahme zu vollenden, die Frankreich ganz und gar der Gnade des Auslands ausliefern wird.

Lagerie (Lot), 9. September 1815.

Durch das Aufteilen und Verteilen dieser armen Loire-Armee ist sie, so glaube ich, an dem Punkt angelangt, wo man sie hinbringen wollte, um sie in aller Sicherheit vernichten zu können. Die Truppenteile, aus denen sie besteht, sind dergestalt verstreut, daß sie sich im Falle der Not nicht gegenseitig beistehen können, die Einwohner, zwischen die man uns geworfen hat, sind weit davon entfernt, Sympathie für uns zu empfinden, unser neuer kommandierender General ist dem, der unseren Untergang will, völlig ergeben. All dies läuft wie am Schnürchen. Bald wird es in Frankreich keine nationale Armee mehr geben. Haben wir nicht alle Soldaten Europas, um uns zu beschützen?

Am 15. August in Cahors angekommen, ist mein Regiment am folgenden Tag aufgebrochen, um das rechte Ufer des Lot entlang zu marschieren und in Prayssac zu logieren, einem Dorf, das sich rühmen darf, die Geburt des guten und tapferen Marschalls Bessières erlebt zu haben. Am 17. hat das Regiment Puy-1'Evêque besetzt, welches 8 Postmeilen [ca. 31 km, eine lieue de poste hat 3898 Meter] von Cahors entfernt ist, nebst mehreren Gemeinden in der Umgebung, und ab jetzt sind keine weiteren Märsche mehr vorgesehen.

Puy-1'Évêque, im Mittelpunkt meiner Kantonierungen, ist der Ort, wo ich meinen Aufenthalt nehmen müßte. Ich habe es jedoch vorgezogen, mich in Lagerie einzurichten, in einem ziemlich hübschen Landhaus, das nicht weit davon entfernt ist.

Lagerie, 13. September 1815.

Angetrieben von Priestern und Adeligen, die im Hintergrund bleiben, sind die Einwohner der Dörfer dieses ungastlichen Landes, wo unsere Truppen kantonieren, uns gegenüber so schlecht gesonnen, wie man nur sein kann, und zielen auf nichts anderes hin, als uns eigenhändig zu entwaffnen, um unseren Untergang umso leichter zu machen. Mehrere Versuche mit diesem Ziel hatten bereits stattgefunden, unter anderem auf eine Kompanie der 31sten Leichten Infanterie, welcher in der Nacht aus den Häusern, in denen sie beherbergt wurde, alle ihre Musketen zugleich entwendet worden sind. Von diesem Affront informiert, habe ich meinen Männern befohlen, ihre Musketen niemals aus den Augen zu verlieren und sie während des Schlafens unter den Strohsack ihres Bettes zu legen. Unter dem Eindruck dieser Befürchtungen erhielt ich vor einigen Tagen von einem meiner Chefs de Bataillon, der mit zwei Kompanien in Prayssac kantoniert, einen Bericht, in dem dieser Stabsoffizier mich wissen läßt, daß nicht daran zu zweifeln ist, daß die örtlichen Bauern sich gemeinsam mit denen der Nachbarschaft verschworen haben, die Gelegenheit eines großen Markttages zu nutzen, zu dem am folgenden Tag zahlreiches Volk zusammenkommen wird, um unsere Leute anzugreifen und zu entwaffnen. Bei diesem Bericht fand sich der Brief des Bürgermeisters von Prayssac, ein guter Mann, aber sehr ängstlich, welcher mich inständig bittet, mein Detachement abzuziehen, um, so sagt er, einen drohenden Übergriff zu vermeiden, der verhängnisvolle Folgen haben würde. Hier meine Antworten auf die beiden Depeschen:

« Mein lieber Kommandant, morgen früh wird Ihr Detachment eine Stunde vor Tagesanbruch Prayssac mit Waffen und Gepäck verlassen, um auf der nächstgelegenen Anhöhe in Sichtweite des Standortes des Markttages Position zu beziehen. Es wird dort von den sechs anderen Kompanien Ihres Bataillons verstärkt, denen ich entsprechende Befehle erteilen werde. Solchermaßen eingerichtet, werden Sie darauf achten, daß sich Ihre Männer unter keinem Vorwand entfernen, und daß sich vor allem kein einziger auf dem Gelände des Markttages blicken läßt. Sie werden Ihre Unterkünfte erst dann wieder beziehen, wenn Sie sicher sind, daß die nicht aus dem Dorf stammenden Bauern weggegangen sind, um nach Hause zurückzukehren. Falls sie sich während des Tages Ihrer Position nähern, werden Sie sie daran hindern, den Kordon Ihrer Vorposten zu überschreiten. Falls sie Ihnen von weitem Beleidigungen zurufen, werden Sie so tun, als hörten Sie sie nicht. Falls man Sie tätlich angreift, werden Sie Gewalt mit Gewalt zurückschlagen. Zu diesem Zwecke übersende ich Ihnen dreitausend Patronen. Handeln Sie mit Umsicht, machen Sie von Ihren Waffen nur im äußersten Falle Gebrauch. Doch erinnern Sie sich, was auch immer geschehen mag, daß niemand sagen können darf, daß das 22ste Linienregiment von Bauern entwaffnet worden wäre. »

« Herr Bürgermeister, ich habe den Brief erhalten, in welchem Sie mir mitteilen, daß die Einwohner von Prayssac und der Umgebung sich entschlossen haben, die Versammlung anläßlich des Markttages zu nutzen, um zu versuchen, die beiden Kompanien meines Regiments zu entwaffnen, die in Ihrer Gemeinde kantoniert sind, und in welchem Sie mich bitten, sie für den Augenblick abzuziehen.

« Die Standorte, welche meine Untergebenen besetzen, sind von dem General, unter dessen Kommando ich mich befinde, festgesetzt worden, und ich kann und will sie nicht ohne seinen Befehl verlassen. Meine beiden Kompanien werden deshalb in Prayssac bleiben. Ich ordne an, daß sie sich während des Markttages fern halten und wachsam sind, und sich ihrer Waffen nur bedienen, wenn man sie mit offener Gewalt angreift. Sie werden sich dann im legitimen Verteidigungszustand befinden. Sie von ihrer Seite, Herr Bürgermeister, nutzen bitte Ihren Einfluß und Ihre Autorität, um einen Übergriff zu verhindern, der notwendigerweise die Folgen haben muß, die sie für Ihre Einwohner befürchten. »

Nachdem meine beiden Briefe und die Patronen auf dem Weg waren, gebe ich den sechs Kompanien den Befehl, diejenigen zu Prayssac zu verstärken, indem sie in der Nacht marschieren, um vor Tagesanbruch dort anzukommen, und aus Prayssac nicht in ihre eigenen Kantonierungen zurückzukehren, bevor der Chef de Bataillon entschieden hätte, daß er sie nicht mehr benötige.

Alles ist ausgeführt worden, wie ich es angeordnet hatte. Am folgenden Morgen war es noch nicht Tag geworden, als sich das Bataillon auf einer das Gelände des Markttages beherrschenden Anhöhe eingerichtet hatte, und sich, um eine Überraschung zu vermeiden, mit Schildwachen umgab. Sobald die Sonne sich am Horizont zeigte, begannen die Bauern auf allen Wegen herbeizuströmen. Um 10 Uhr morgens war die Menschenmenge von Käufern und Verkäufern vollzählig. Gegen 2 Uhr nachmittags, da alles vor ihm friedlich schien, begann mein Chef de Bataillon zu glauben, daß unsere Unruhe grundlos gewesen war, oder daß die Zahl und die ruhige militärische Haltung unserer Leute und das Blitzen unserer in der Sonne glänzenden Waffen den kriegerischen Eifer der Übelgesonnenen abgekühlt hätten. Dies war die Ruhe vor dem Sturm. Die Großsprecher waren in den Schänken, um sich zu verabreden, sich gegenseitig anzufeuern und mit Hilfe des Weines ihren Mut zu stärken. Bald sah man sie sich in Gruppen nähern, singend und grölend, etwa tausend an der Zahl. Als sie in der Nähe angekommen waren, hielten sie, wie um sich weiter zu verstärken und abzustimmen, dann, in kleine Kolonnen aufgeteilt, stiegen sie tapfer gegen das Bataillon hinauf, wobei sie sich mit wildem Geschrei gegenseitig ermutigten und alle erdenklichen Beleidigungen von sich gaben. Sobald der Chef de Bataillon sah, daß die angriffslustige Bewegung sich solchermaßen entwickelte, ließ er durch seine Tambours einen Trommelwirbel schlagen. Auf dieses Signal werden die Gewehre ergriffen, die vorgeschobenen Schildwachen kommen zurück, die Truppe richtet sich aus, und, mit dem Gewehr im Arm, wartet. Als sie den Trommelwirbel und das darauffolgende Waffengeklirr hören, halten die Angreifer an, verstummen, blicken sich gegenseitig an und scheinen unentschlossen, dann setzen sie sich von neuem gegen unsere Leute in Bewegung, um die Wette brüllend, und bald beginnt ein Steinhagel auf das sich nicht rührende Bataillon. Getreu meinem Befehl war der Chef de Bataillon bis hierhin gelassen und dem Schreien und Beleidigungen keine Beachtung schenkend aufgetreten. Doch als er sah, daß die Angelegenheit ernst wurde, kommandiert er mit seiner Donnerstimme die geschwinde Chargierung [charge à volonté], die rasch ausgeführt wird, das Bataillon bleibt mit geschultertem Gewehr stehen, bereit, mit dem Feuer zu beginnen. Auf dieses Kommando chargez vos armes hatten die Angreifer zum drittenmal angehalten und ihre Hände warfen keine Steine mehr. Auf einen Schlag, als sie durch die Papierfetzen, die der Wind ihnen zu Hunderten entgegentrieb, erkennen, daß die Musketen wirklich mit Patronen geladen worden sind, rufen sie sich gegenseitig zu: Sie werden schießen! Sie werden schießen! Auf diesen Ausruf, der bald über ihre ganze Linie hin wiederholt wird, ziehen sich die am meisten vorgerückten auf diejenigen zurück, die ihnen folgen, letztere machen fix kehrt, alles flieht, und diese tausend Strolche kommen Hals über Kopf mitten auf dem Markttag an, aus vollem Halse rufend: Rettet euch, sie werden gleich schießen! Die Angst ist sehr ansteckend, sie bemächtigt sich sogleich der Menschenmenge, die die Ebene bedeckt. Sofort entwickelt sich mit einer wunderbaren Schnelligkeit ein unbeschreibliches Durcheinander. Man drängt sich, sich so rasch wie möglich vor unseren Kugeln in Schutz zu bringen. Man stürzt, man rempelt sich an, man wirft sich um. Die Männer schreien, die Frauen klagen, die Kinder heulen, überall ertönt das schreckliche Rette sich, wer kann. Die Stände werden umgestürzt, die Waren in den Staub getreten, die Herden im Stich gelassen, Schrecken und Verzweiflung sind auf dem Höhepunkt. In wenigen Augenblicken gleicht das Areal des Markttages, völlig menschenleer, bedeckt mit Trümmern aller Art und herrenlosen Tieren, einem Schlachtfeld, und immer noch sind die Bauern dabei, in alle Richtungen zu fliehen, um ihre Dörfer zu erreichen, ohne sich die Zeit zu nehmen, einen Blick zurück zu werfen. In seinem Bericht schreibt mir mein Chef de Bataillon, daß man den Effekt dieses panischen Schreckens gesehen haben muß, um einen Begriff davon zu bekommen. Es war, so schreibt er, zum totlachen.

Der Bürgermeister von Prayssac, der sich mehr noch als die Flüchtlinge zu Tode geängstigt hatte, war am Ende beglückt zu sehen, daß sich das Unwetter auf diese Art verzogen hatte. Er hat den Rest des Tages damit verbracht, die Hornviecher, die Schafe, die Pferde, die Fuhrwerke, die Marktwaren und selbst die auf dieser lächerlichen Flucht zurückgelassenen Kinder wieder einzusammeln, um sie den Besitzern wieder zurückgeben zu können, sobald diese sich zu zeigen wagten. Doch wieviele verlorengegangene Sachen, wieviele gestohlene Marktwaren! Der Markttag von Prayssac wird im Lande Geschichte schreiben.

Nachdem der gefährliche Tag so glücklich geendet hatte, ist das Bataillon am Abend in seine verschiedenen Kantonierungen zurückgekehrt. Seitdem ist in den von meinem Regiment besetzten Dörfern alles ruhig, und es ist zu bemerken, daß die Bauern meine Offiziere jetzt grüßen, was diesen bisher noch nicht widerfahren war.

Cahors, 4. Oktober 1815.

Alle Ungewißheit hat aufgehört. Die französische Armee wird vollständig aufgelöst. Dieses Todesurteil ist zweifellos an demselben Tage gefällt worden, an dem Ludwig XVIII. in die Tuilerien zurückgekehrt ist, doch es mußten Vorkehrungen getroffen werden, um jeden Widerstand unmöglich zu machen, und man muß zugeben, daß in dieser Hinsicht die Absichten unserer wiederhergestellten Regierung, und mehr noch die ihrer Beschützer, ganz nach Wunsch umgesetzt worden sind. Auf der einen Seite zeigte sich sehr viel Geschick, und von unserer eine Fügsamkeit, für die uns dankbar zu sein offensichtlich niemandem einfallen wird.

Nachdem die Frucht für reif genug genug gehalten wurde, um gepflückt zu werden, hat mein Regiment seine Kantonierungen in Puy-1'Évèque verlassen, um sich Cahors zu nähern, wo sich das unheilige Werk vollziehen sollte, die verschiedeen Truppenteile, die im Departement Lot stationiert waren, zu entwaffnen und aufzulösen. Am 16. September aufgebrochen, hat es an diesem Tag und dem darauffolgenden in Espère und anderen Dörfern in der Nähe logiert, und am 18. in Cahors.

Es ist nun fünf Tage her, daß sich für uns das harte Opfer vollzogen hat. Alle, die seit Waterloo meinem Adler treu geblieben waren, haben ihre Waffen niedergelegt und haben sich sogleich ohne einen Akt der Insubordination zerstreut. Die Stunde dieses Vorgangs war eine der traurigsten meines Lebens. Auch wenn ich erst seit einigen Monaten an der Spitze des 22sten Regiments gestanden habe, sind mir diese Tapferen mit Beständigkeit von Belgien bis hierher gefolgt, haben mich im Unglück vielleicht stärker liebgewonnen, als sie es in guten Zeiten getan hätten, denn nichts verbindet die Menschen mehr als gemeinsames Mißgeschick. Ich für meinen Teil betrachtete und behandelte sie wie meine Kinder. Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten küßten den Adler, den man ihnen raubte, umarmten sich gegenseitig, umringten mich, um mich ein letztes Mal zu grüßen und meine Hand zu nehmen, und wieviele Tränen wurden vergossen während dieser Bekundungen von Respekt, Freundschaft und dieser Aufforderungen, sich nicht zu vergessen! Um mich versammelt wie um ihren Vater, sind meine letzten Worte an sie gewesen, sie zu ermahnen, sich auf dem Wege und zuhause weise zu verhalten, um so die Ehre des Regiments auch nach seiner Zerstörung aufrecht zu erhalten, und den Nichtswürdigen, die es gewagt haben, uns als die Räuber von der Loire zu bezeichnen, einen deutlichen Gegenbeweis zu führen. Ich konnte nichts mehr sagen, denn meine Bemühungen, meine Tränen nicht mit denen dieser tapferen Leute zu vermengen, hinderten den Fluß meiner Worte. Nach einem letzten Lebewohl sind sie traurig in verschiedene Richtungen weggegangen, einen Stab in der Hand, um unter das väterliche Dach zurückzukehren, und ich bin alleine zurückgeblieben ... Man muß wissen, wie stark das Band ist, das die Männer eines Regimentes verbindet, in der Hingabe an die Fahne, in der gegenseitigen Zuneigung der Kommandierenden und ihrer Untergebenen, um die ganze Bitterkeit einer solchen Auflösung ermessen zu können. Ich werde diese letzte Szene des großen Dramas von Waterloo niemals vergessen.

 

Tombe.
Grab der Familie
des Generals
Fantin des Odoards
auf dem Friedhof von
Taverny (Val d'Oise).

Fantin des Odoards.

Die Inschrift lautet:

LE GENERAL
FANTIN DES ODOARDS
NE A AMBRUN
LE 23 DECEMBRE 1778.
MORT A PARIS
Le 18 MAI 1866
DANS SA 88EME ANNEE.


Der General
Fantin des Odoards.
Geboren in Ambrun [Embrun]
am 23. Dezember 1778.
Gestorben in Paris
am 18. Mai 1866
in seinem 88. Lebensjahr.



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