Perfekt !

Kommern.



Am 23. Thermidor des Jahres IX der Republik (dem Jahrestag des glorreichen Sturms auf die Tuilerien vom 10. August 1792) erhielt unsere 10 Mann starke vereinigte Grenadier- und Fusilier-Escouade des 2. Bataillons der 22e demi-brigade de ligne den Befehl, sofort aufzubrechen und sich in ein kleines Dörfchen bei Kommern zu begeben. Später wurden wir dort durch eine Escouade der 9e demi-brigade légère verstärkt.

Leider kamen aufgrund des sehr anstrengenden Marsches nur der Caporal Sans-Souci und der Grenadier Mathieu tatsächlich in Kommern an. Die übrigen ließen es sich an den beiden folgenden Tagen in verschiedenen Bürgerhäusern auf dem Weg, wo sie gerade liegengeblieben waren,  wohl sein, um sich von den Strapazen des Gewaltmarsches zu erholen. Ich hoffe, daß ihnen das auch geglückt ist, und wir künftig nicht mehr unter solch hohen Ausfällen zu leiden haben.

Unser Empfang in dem Hof bei Kommern war, wie nicht anders zu erwarten, recht kühl. Waren wir doch dorthin beordert, um solange von der Bauersfamilie auf deren Kosten verpflegt und untergebracht zu werden, bis der als Réfractaire ("Widerspenstiger", ein Wehrpflichtiger, der sich durch Flucht dem Dienst an der Nation entzieht) flüchtige Sohn derselben, der zwar als Soldat ausgelost worden war, aber das harte entbehrungsreiche Leben und die Todesgefahr auf dem Schlachtfelde fürchtete, zurückkehrte, um wie wir alle unser Vaterland zu verteidigen.

Ein meuchelmörderischer Giftanschlag auf den Bürger Sans-Souci wäre beinahe von Erfolg gekrönt worden und warf ihn den halben 24. Thermidor über aufs Krankenlager, doch glücklicherweise ließ die eiserne Gesundheit eures Caporals ihn bereits nach wenigen Stunden wieder genesen, und er konnte dem Tod eine lange Nase drehen. Der unbekannte Urheber dieses Mordversuchs wurde von uns mit der Verachtung und Nichtbeachtung gestraft, die ihm gebührte. Sicherlich hat der Giftmischer seine üble Tat bereut, da der Anschlag sich nicht wiederholte.

Denn dem Charme französischer Soldaten kann kaum jemand widerstehen. Schon nach kurzer Zeit hatten wir die Herzen unserer Gastgeber gewonnen, konnten abends bei ihren Festen mittanzen, schäkerten mit den zahlreichen Mägden und wurden mit leckersten Mahlzeiten, mit Obst, ja selbst mit Kuchen überhäuft. Bier und Wein flossen in Strömen, außerdem gab es einen herrlichen frisch gepreßten Apfelsaft !

Wie gut die Verpflegung war, könnt ihr daran ersehen, daß die zum Hofe gehörigen Federviecher sämtlich arglos und vertraut zwischen uns (manchmal sogar auf uns) umherlaufen konnten, ohne daß bei unserem Aufbruch auch nur eines gefehlt hätte !

Da unsere Aufgabe in Essen, Trinken und Schlafen bestand, wird jeder, der dabei war, noch in Jahren den anderen, denen dieses Glück nicht vergönnt war, davon solange vorschwärmen, bis sie aufhören, sich zu ärgern. Wir waren im Schlaraffenland und Paradies zugleich ! Unsere freie Zeit verbrachten wir damit, bei den örtlichen Auslosungen zur Konskription (Dienstpflicht) und bei dem Treiben der Einheimischen zuzuschauen, hin und wieder zum Spaß ein wenig zu exerzieren, unsere Ausrüstung zu pflegen und Ausflüge in die Nachbargehöfte zu unternehmen.

Unser Einsatz war erfolgreich, und leider, viel zu früh, bereits am 25. Thermidor, kam der flüchtige Réfractaire zurück Selbst unsere Vorhaltungen und Schilderungen der Schrecken des Soldatenlebens konnten ihn nicht davon abhalten, sich zu stellen. Wahrscheinlich sah er unsere wohlgenährten Körper und heiteren Mienen und glaubte uns einfach nicht. Oder unser Vorbild, die wir willig unsere Pflicht der Nation gegenüber erfüllen und fröhlich unsere Waffen tragen, hatte in letztendlich doch beschämt.

Sans-Souci, dessen Lederzeug jetzt fast so weiß glänzt wie das des Grenadiers Mathieu.