Auf Vorposten !


Ankunft, kurze Rast und weiter geht's !

Kampfeslustiges Warten auf den Feind.
Regen auf Vorposten - warum man sich auf das Kommen des Feindes freut !
(Zeichnung des Grenadiers Lapompe)

Nach einem langen und anstrengenden Marsch kommt unsere Grenadier-Kompanie am 6. Juli, es ist ein Freitag, abends im Dorf Wittstorck (oder so ähnlich) an. Nach einer kurzen Rast, die auch zum Wiederinstandsetzen der Ausrüstung und etwas Drill benutzt wird, erhalten wir die Order, daß wir die Nacht nicht friedlich schlafend im Lager, sondern kriegerisch wachsam auf Vorposten verbringen sollen. Na toll.

Bevor wir aufbrechen, erblicken wir drei Dörfler, die einen Karren hiner sich herziehen. Als sie uns erblicken, versuchen sie zu fliehen, doch es gibt nichts flinkeres als neugierige französische Grenadiere. Nachdem wir sie gestellt haben, wundern wir uns, daß sie überhaupt vor uns weglaufen wollten, doch die Sprachbarriere verhindert die Auflösung des Rätsels. Diese ungebildeten Bauern sprechen kein einziges Wort Französisch.

Jedenfalls haben sie uns ein Geschenk mitgebracht: ein ganzes Faß Bier, und Gemüse und Fleisch für die Suppe ! Wahrscheinlich, damit wir das Dorf nicht plündern. Wir bedanken uns freudig, und überreichem jedem der drei Dörfler einen Kohlrabi aus unseren neuen Vorräten. Ein französischer Grenadier im Überfluß teilt gerne. Irgendwie machen sie trotzdem lange Gesichter und blicken immer wieder abwechselnd auf den Kohlrabi in ihrer Hand, auf uns und auf unseren mit Nahrung beladenen Karren. Vielleicht sind sie etwas beschämt, weil sie zunächst vor uns weggelaufen waren ? Sei's drum.

Auf Vorposten können wir das Faß schlecht mitnehmen. Wir verstauen die Lebensmittel in unseren Tornistern, und rollen den Karren in das naheliegende Lager einer verbündeten sächsischen Grenadier-Kompanie. Als wir am nächsten Tag zurückkommen, ist das Faß verschwunden. So geht es zu im Kriege.

Wir marschieren ab in die Gegend nördlich von Wittstorck. Dort, in einem Wäldchen, hat das unvergleichliche 9e léger sein verstecktes Lager aufgeschlagen. Unser Auftrag ist, ihre Ruhe zu schützen, indem wir weiter westlich, den im Dorf Katzendorf vermuteten Preußen entgegen, die avant-postes (Vorposten) stellen.

Da wir alle noch keine praktische Felddiensterfahrung haben, und ich in unserer Kompanie der einzige Soldat bin, der schon einmal in einem Buch über den Felddienst gelesen hat, zieht mein Sergent Champagne mich aus dem normalen Dienst heraus, und ich werde als Interims-Sergent und Instrukteur eingesetzt, damit alles so eingerichtet wird, daß der Feind uns keine Überraschung bereiten kann.

Vor dem Abmarsch.
Letzte Instruktionen vor dem Abmarsch.

Mot d'ordre und mot de ralliement.

Mit 7 Grenadieren marschiere ich den nach Westen durch den Wald führenden Hauptweg entlang, um einen passenden Ort für unsere grand'garde (Feldwache oder auch: Großwache) zu finden. Am jenseitigen Waldrand finden wir einen vorläufig ausgestellten Posten des 9e léger. Sie verraten uns zwei Worte, die sie "Parole" nennen: "France - Saxenne". Ich überlege kurz, ob ich diese Wort für uns abändern soll in "France - Faxen", lasse es aber dann doch sein.

Da kein Offizier da ist, der den Oberbefehl über unsere Vorposten übernommen hätte, und auch vom General keine Befehle eintreffen, mußte sich dieser Truppenteil das mot d'ordre (Parole) und das mot de ralliement (Feldgeschrei) selber einfallen lassen. Wahrscheinlich haben einige sächsische leichte Infanteristen, die sich an das 9e léger angeschlossen haben, deren kommandierenden Sergent bezüglich des Felddienstes beraten, jedenfalls ist das Ergebnis gänzlich unfranzösisch.

In der französischen Armee kann das mot d'ordre aus einem oder zwei Worten bestehen, und ist nur den Offizieren und Unteroffizieren bekannt. Es bestand im Ancien Régime aus dem Namen eines Heiligen und aus dem einer Stadt, die mit demselben Buchstaben begannen.

Das mot de ralliement ist jedem Soldaten auf den Vorposten bekannt, hat also weniger "Überzeugungskraft". Es war früher in der Regel der Name eines Generals.

Später gab es dann Abweichungen und teilweise gar keine Regeln mehr, außer, daß diese zwei oder drei Worte immer mit demselben Buchstaben beginnen, damit der Soldat sie sich besser merken kann.

Grand'garde.

Die Stelle, an der der Hauptweg sich auf ein bebautes Feld mit freiem Schußfeld öffnet, ist gut geeignet zur Verteidigung. Gen Westen erstreckt sich der Wald längs am Nordrand des Weges weiter und bietet unseren Vorposten Deckung. In Richtung Süden zieht sich der Waldsaum das ganze Feld entlang und macht dann einen Bogen in Richtung Westen. Wie weit, kann man in der einbrechenden Dunkelheit nicht mehr erkennen. Wir beschließen, hier unsere grand'garde einzurichten.

Die grand'garde deckt einen Hauptzugang zum Lager und ist dafür vorgesehen, den Feind im Falle eines Angriffs so lange wie möglich aufzuhalten, damit die im eigentlichen Lager ruhenden Hauptkräfte genügend Zeit haben, aufzuwachen und sich zum Kampfe fertig zu machen. Kann der Feind mehrere Wege benutzen, um zum Lager zu gelangen, so wird für jeden Zugang eine eigene grand'garde ausgesetzt.

Eine grand'garde besteht in der Regel aus:

also aus einem Detachement von der Stärke einer Kompanie. Jede Kompanie des Regiments stellt hierzu die gleiche Anzahl Leute, weil die Feldwachen leicht gefangen und aufgerieben werden können, und der Verlust einer kompletten Kompanie mehr desorganisirt, als der Verlust einzelner Soldaten von jeder Kompanie.

Aufgrund der deutlich bemerkbaren Konfusion im französischen Oberkommando wurde stattdessen jedoch unsere Kompanie geschlossen als grand'garde abgeordnet. Zudem scheint niemand der höheren Befehlshaber auch nur einen Blick auf unsere täglich eingereichten Stärke-Rapporte geworfen zu haben, so daß wir diese Aufgabe mit unserem Präsenz-Stand von nur 1 Sergent, 1 Caporal und 16 Grenadiers meistern müssen. Doch es gibt nichts, das ein französischer Grenadier nicht kann.

Erkundungstrupps werden ausgeschickt.

Der Kommandeur der grand'garde muß versuchen, sich rasch ein Bild von der Umgebung seines Postens zu machen, um zu wissen, wo sich der Feind befindet und auf welchen Wegen er sich nähern könnte.

Ich schicke daher schonmal jeweils zwei Mann nach Süden, Norden und durch den Wald in Richtung Westen aus. Ehe ich mich versehe, schließt sich der Grenadier Moustache, der eigentlich als Bote bei mir bleiben sollte, den beiden nach Westen dem Feind entgegen gesandten Soldaten an und ist nicht mehr zurückzurufen.

Irgendwann später, es ist inzwischen duster geworden, höre ich von Nordwesten her zwei Schüsse, dann nichts mehr. Ich verfluche - wie ich dann später einsehen muß, völlig zu unrecht - meine Kundschafter, denen ich extra eingeschärft hatte, daß ihre Aufgabe die Beobachtung sei, nicht der Kampf.

Einige Zeit später kommen unsere südlichen Kundschafter zurück, die herausfindem sollten, ob man sich durch den Wald dem preußischen Lager nähern kann. Als diese beiden Grenadiere die Schüsse hörten, kehrten sie richtigerweise sofort wieder um, um nicht bei einem möglichen Angriff des Feindes abgeschnitten zu werden. Sie berichten, daß sie am Rande des Feldes die Fußabdrücke einer größeren Anzahl von Soldaten (genagelte Schuhe) gesehen hätten, die auf das preußische Lager zuführten. Wie wir am nächsten Morgen erfahren, waren dies vermutlich die sächsischen Grenadiere, die ursprünglich in Wittstorck zurückgeblieben waren. Der Wald im Südwesten hört irgendwann auf, und eignet sich daher nicht, um unentdeckt auf das preußische Lager vorzustoßen.

Die Kundschafter nach Norden berichten von zwei weiteren Parallelwegen in Ost-West-Richtung, mit einem Vorposten des 9e léger, und haben ansonsten nichts bemerkenswertes beobachtet. Zumindest können wir uns in dieser Richtung als vom 9e léger gedeckt betrachten.

Die nach Westen ausgeschickten Soldaten haben am Rande des Weges einige Querwege durch den Wald in Richtung Norden und mehrere kleine Lichtungen am Waldrand gefunden, die unseren petit postes (Unteroffizierposten) und sentinelles (Schildwachen) Deckung und ein erweitertes Schußfeld bieten können. Irgendwann erhielten sie Feuer von zwei oder drei Preußen (ob es eine Patrouille oder eine Schildwache war, konnten sie nicht feststellen), so daß sie sich zurückzogen.

Einrichtung des Postens der grand'garde.

Wohlverdiente Ruhe.
Alles angeordnet und die Grenadiere versorgt.
Jetzt können sich auch Sergent und Caporal etwas ausruhen.

Inzwischen ist auch der Rest unserer Kompanie eingetroffen. Mein Sergent ist mit meinen bisherigen Maßnahmen zufrieden, und wir beginnen, unsere grand'garde einzurichten.

Eigentlich müßten wir zur Verteidigung einen Graben ausheben und mit dem Material eine Brustwehr aufschütten, die den militärischen Regeln entsprechend etwa 4 Fuß Dicke haben sollte. Musketenkugeln dringen zwar in festen Boden nur etwa 1 Fuß tief ein, aber auf sehr nahe Entfernungen gehen sie doch etwas tiefer, und richtig fest wie das Erdreich bekommt man den aufgeschütteten Wall ja auch nicht so schnell.

Den Weg müßten wir mit umgehauenen Bämen verbarrikadieren, um den vorrückenden Feind möglichst lange aufzuhalten. Sind eigene Vorstöße geplant, kann man die Barriere beweglich gestalten, um den Weg für eigene größere Truppenteile rasch freimachen und wieder versperren zu können. Bei einer dauerhaften Barrikade wird seitlich ein kleiner, versteckter, und auch mit einer beweglichen Barrikade verschlossener Durchgang angelegt.

Leider haben wir jedoch kein Schanzzeug dabei, so daß wir auf bauliche Maßnahmen verzichten. Unser Schutz ist unser Mut. Der freundlichen drei Dörfler und ihrer Geschenke wegen sehen wir auch davon ab, das Feld vor uns zu planieren, um ein besseres Sicht- und Schußfeld zu haben. Dank eines in einen Baum am Waldsaum gebauten Hochsitzes können wir dieses Feld trotzdem ganz gut übersehen.

Unsere Feuerstelle wählen wir nur wenig Meter abseits und entgegen allen militärischen Regeln so, daß der Widerschein des Feuers in den Baumwipfeln von weitem zu sehen ist. Voller Kampfeslust, hoffen wir so, den Feind anzulocken und die Vortrefflichkeit unserer Vorposten-Einrichtungen und unseren Mut unter Beweis stellen zu können. Wir wir am nächsten Tag erfahren, haben die Preußen unser Feuer auch tatsächlich wahrgenommen, aber in der Befürchtung, es handle sich um eine Falle, unsere Position sorgfältig vermieden ... manchmal kann man sich eben auch selber überlisten.

Petit postes.

Der Général Duhesme empfiehlt, daß der die grand'garde kommandierende Offizier rechts und links ihm untergebene Offiziere nach den Punkten detachiert, wo der Feind ihn umgehen, oder zwischen ihm und den anderen Feldwachen ins Lager dringen könnte. Diese Sicherungsposten der grand'garde werden petit poste d'officier (kleine Offizierposten) genannt.

Jeder petit poste hat ständig eine sentinelle unter Waffen, und stellt außerdem in einer Entfernung von 100 bis 150 Schritt 2 bis 3 andere Schildwachen aus. Diese müssen an Orten stehen, wo sie eine gute Sicht haben und den etwa anrückenden Feind rechtzeitig erblicken können.

Außerdem schiebt man noch einen Posten von

auf ein oder zwei Gewehr-Schußweiten [also 200 bis 500 Schritt] vor, welcher sich auf einer Anhöhe oder an einem Orte aufstellt, von welchem er die vorzüglichsten Zugänge übersieht.

Die Wache des Capitains hat oft zwei vorgeschobene Unteroffizierposten. Die Schildwachen dieser vorgeschobenen Posten bilden eine Art erste Vorposten-Kette, die Posten selbst die zweite und die Offizierposten die dritte.

Bei einem Angriff der Feinde dienen die ersten Schildwachen nur zur Alarmierung, sie feuern ihre Gewehre ab und ziehen sich tiraillierend auf den Hauptposten zurück.

Die Offizierposten müssen den Feind aufhalten und ihren Platz behaupten, bis sie verstärkt werden oder Befehl zum Rückzuge erhalten. Falls sie von überlegener Macht angegriffen werden und sich nicht halten können, müssen sie versuchen, den Feind bei ihrem Rückzug möglichst lange aufzuhalten.

Mangels Mannschaften können wir solche petits postes nicht ausstellen, doch ist zumindest unsere rechte Flanke durch das 9e léger gedeckt. Nach links hin stellen wir eine Schildwache aus, um vor Überraschungen gesichert zu sein.

Exkurs: Die Wachen im eigentlichen Lager.

Das Lager eines Bataillons
Das Lager eines Bataillons.
(Zum Vergrößern anklicken)

Unabhängig von den Vorposten gibt es im Lager eines Regimentes stets drei verschiedene Arten von Wachen. Die garde de police (Polizeiwache), die garde du camp (Lagerwache, manchmal auch falsch übersetzt: Feldwache) und das piquet (Pikett). Die Grenadiere werden niemals zu diesen Wachen kommandiert.

Die garde de police besteht pro Regiment aus:

Sie ist für die Ordnung und das Polizeiwesen im Lager des Regimentes verantwortlich. Durch ihren Tambour werden alle Trommelschläge und Signale im Lager gegeben, der Capitaine de Police nimmt die Appellzettel aller Kompanien in Empfang, die er zu einem allgemeinen Appellzettel zusammenfaßt.

Die garde de police biwakiert im Freien in der Mitte des Intervalles zwischen den beiden Bataillonen des Regimentes, in Höhe der Kochstellen. Sie stellt tagsüber zehn und nachts elf sentinelles, die rings um das Lager des Regimentes postiert werden.

Die garde du camp wird aus der garde de police genommen und besteht aus:

Sie verhindert, daß bei Nacht Unteroffiziere oder Soldaten das Lager ohne Befehl verlassen oder Verdächtige es betreten, und bewacht außerdem noch die Arrestanten.

Die garde du camp biwakiert ebenfalls im Freien in der Mitte des Intervalles zwischen den beiden Bataillonen des Regimentes. Bei den vorne lagernden Regimentern befindet sie sich 200 Schritt vor der Linie der Gewehrpyramiden, bei den hinten lagernden Regimentern 200 Schritt hinter der Linie der Zelte der Stabsoffiziere. Sie schützt ihre Position, indem sie eine Brustwehr aufschüttet, und stellt drei sentinelles, je zwei etwas nach vorne zu den Flügeln des Lagers hin, eine direkt bei ihrem Aufenthaltsort. Bei Nacht werden diese sentinelles verdoppelt.

Das piquet wird in jedem Regiment zusätzlich zur garde de police gebildet. Es besteht aus:

Seine Aufgabe ist, die Mannschaften für alle Détachements und außerordentlichen Wachen zu liefern. Die Soldaten des piquets müssen jederzeit marschfertig und ihre Tornister stets griffbereit sein.

Die Gewehre des piquets werden in Höhe der Gewehrpyramiden in der Mitte des Intervalles zwischen den beiden Bataillonen des Regimentes aufgestellt. Seine Mannschaften bleiben jedoch bei ihren Kompanien, das piquet wird bei Tag durch ein Trommelsignal des Tambours der garde de police, bei Nacht ohne Lärm durch seine eigenen Unteroffiziere versammelt. Obwohl die Männer des piquets in ihren eigenen Zelten schlafen, dürfen sie sich nachts nicht zum Schlafen auskleiden.

Falls es befohlen wird, daß die piquets im Freien biwakieren sollen, um bei Bedarf rascher einsatzfähig zu sein, biwakieren die beiden unter einem Capitaine stehenden piquets gemeinsam in der Mitte der beiden Regimenter, 50 Schritt vor der Linie der Gewehrpyramiden.

Wenn man nahe dem Feind lagert, biwakieren die piquets jedoch oft etwa auf halbem Wege zwischen dem Lager und der wichtigsten grand'garde.

Sans-Souci



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