Jockgrim.


La Cravate.
Unser Sergent ad interim La Cravate.

Mich hat gestern die Muse gepackt und wenn sie einen hat, lässt sie einem nicht mehr los. Ich hoffe, der Abschnitt zum Gefecht ist für Außenstehende nicht zu dröge.

Geradezu ungewöhnlich (verglichen mit anderen Fahrten auf Veranstaltungen) pünktlich kam der Grenadier Le Joueur bei mir an, um mich nach Jockgrim mitzunehmen. Ich war schon voller Vorfreude, da ich überraschend davon erfahren hatte, dass sich mein guter alter Kamerad Doigt de Fer angekündigt hatte. Ich hatte ihn seit Mainz nicht mehr gesehen. Das Wetter versprach miserabel zu werden, denn es goss auf der Anreise fast durchweg in Strömen. Unterwegs lasen wir noch unseren Grenadier L'Hongrois in Durlach auf. In Jockgrim angekommen hatte sich der Regen gelegt und wir wurden zu meiner Verwunderung von Capitaine Schmidt statt Sergent Sans-Souci begrüßt. Ich ahnte schon ungefähr, was auf mich zukam. Herje, ich hatte doch in den letzten Jahren nur 2-3 mal mitgemacht... Allein das nutzte nichts, und da er mich ohne ihn genauso als Unteroffizier behandelt hätte, übernahm ich den Sergentenrock. Capitaine Schmidt sollte währenddessen die gesamten französischen Truppen in noch unbekannter Zahl kommandieren. Mir selbst hätten unter Umständen 7 Grenadiere unterstanden.

Am Freitagabend wurden wir in eine Art Scheune in der meines Erachtens malerischen Fachwerkstadt von Jockgrim einquartiert, wo dann auch L'Hongrois, Le Joueur, unser Capitaine und meine Wenigkeit nächtigten. Die Beschallung eines Festes konnte uns nicht anfechten. Am Abend genossen wir noch den ebenso netten wie unterhaltsamen Besuch von ein paar Badnern und Preußen, so dass wir erst gegen Morgengrauen auf unsere Lagerstätten fielen. Voll Ungeduld hatten wir Doigt de Fer erwartet, der dann leider ausblieb. Zum anderen hatte ich aufgegeben die Nacht hindurch meine Kenntnisse im Reglement eindeutig aufzubessern.

Während es am Sonnabendmorgen heftig regnete, drehten alle Grenadiere, die später zusammen ins Gefecht gehen sollten, die Patronen gemeinsam in unserer trockenen Unterkunft. (Übrigens kam man von dort aus über zwei Stiegen hinab auf einen Ausblickspunkt wovon man einen tollen Ausblick auf das Gefechtsfeld unterhalb der Stadt genießen konnte.) Prompt als der Regen aufgehört hatte, waren wir mit der Arbeit fertig und rückten hinab zu unserem Lagerplatz. Grenadier Chasseur machte mit Stroh und Holz eine wunderbar entzündliche Grundlage; Grenadier Briquet oder mir gelang es zu meinem Verwundern (ich bin darin wahrlich nicht geübt) das Ganze mit Stahl, Stein und Zunder schnell in ein hübsches Feuerchen zu verwandeln. Während die Suppe von unseren beiden erfahrenen Veteranen aufgesetzt wurde, exerzierte ich mit unseren zwei Rekruten.

Die Zeit bis zum Aufbruch ins Gefecht verging auf diese Weise wie im Fluge. Wir 22er (we happy few... ("Henry V.")) setzten uns kurzentschlossen an die Spitze der französischen Truppen. Ich ließ auf dem Gefechtsfeld 2 Rotten mit je einem Veteranen und einem Rekruten in Richtung des erwarteten Gegners ausschwärmen. Das Gelände mit Büschen, kleinen Gehölzen, Gräben mit hohem Bewuchs sowie einem kleinen Wäldchen war zum Tiraillieren eigentlich sehr günstig. Die auf der Anhöhe gelegene Stadt bildete eine hübsche Kulisse. Capitaine Schmidt war unser Oberkommandeur, der immer wieder als sein eigener Späher voraus rannte, statt seine beiden Reiter dazu zu bemühen. Wahrscheinlich werden badische Pferde rascher erschöpft als französische Offiziere. Denn alles, was der Capitaine Schmidt tut, tut er mit großer Vorraussicht.

Bald hatte er auch den Gegner ausfindig gemacht und in Kürze feuerten wir auf einige Distanz in seine Richtung, wovon er sich aber nicht beeinflussen ließ. Geschwind umrundeten wir das besagte Wäldchen erneut, das wunderbar zu einem Hinterhalt gedient hätte und das uns von unserer Haupt"macht" (in Wahrheit eine bunt gemischte Truppe aus 3-4 Einheiten mit vielleicht 10 Musketen) trennte. Wir kamen rasch dem Gegner in die Flanke, der mühsam einen Graben überquerte. Unser Flankenfeuer genügte allerdings unserem Capitaine Schmidt nicht. Da er uns nicht durch einen reitenden Boten überzeugen konnte, den dichten Wald zu durchqueren, worin ich überdies einen Übermittlungsfehler witterte, kam der Capitaine sogleich höchstselbst zu uns gesprungen. Selbst den zögerlichsten Grenadier vermochte der Capitaine, erst er dann ich, mit enthusiastischem Beispiel zu überzeugen über eine morsche Bohle einen Graben zu überwinden.

Nach des Capitaine Meinung hätten wir die Gegner komplett überraschen müssen, indem wir ihnen in den Rücken fielen. So trällerte der Capitaine mit geschwungenem Säbel in Hochstimmung "La victoire...". Daraufhin trafen wir auf die leichte sächsische Infanterie, die sich in günstigster Stellung hinter einem Graben befand. Sie hatten natürlich unser Verschwinden aus ihrer Flanke bemerkt und deckten nun den Rücken ihrer Haupt"macht". Sie lieferten uns ein Feuergefecht. Keine Seite kam voran. Übrigens warfen sie dabei, was uns verdutzte, ein paar Granaten oder sowas.

Endlich hatten wir den Graben geschafft und nahmen beinahe nebenbei mit Hilfe der 2 unsrigen Reiter einen badische Oberjäger und einen vom Garde du Corps zu Fuß gefangen. Wir ließen Gnade walten, zumal uns unsere Aufgaben zu höherem bestimmt hatten. Als sich dann unser Capitaine wieder zurück zu unserer Haupt"macht" geschlagen hatte, kam unsere "Stunde". Es gelang uns mit ein paar Schwenks und Deckung suchend den Feind in die Zange zu nehmen. Unser Sieg war da und den Badnern, Preußen und Sachsen blieb kein anderer Ausweg als sich zur Stadt zurück zu ziehen, wohin wir ihnen in völliger Ordnung nachsetzten...

Insgesamt war das Gefecht für uns ganz unterhaltsam. Gut gefiel mir das Gelände, das durch die besagten Gräben etc. einige Möglichkeiten bot. Schön fand ich auch, dass sich die sächs. leichte Infanterie immer wieder auf unsere Aktionen einstellte, auch wenn sie dazu freilich lange nicht soviel Strecke wie wir bei unseren Umgehungen usw. zurücklegen musste. Es war ein bisschen schade, dass die Verbündeten uns nicht aus der von mir Anfangs vermuteten Richtung angriffen, da dort das Gelände mehr Chancen für gegenseitige Überraschungen geboten hätte, während die Wiese, worüber sie dann schritten ganz plan und langweilig wie ein 08/15-Gefechtsfeld war.

Ich war einmal mehr froh, ein Gefecht mit der 22e bestritten zu haben, weil unsere Bewegungen sicherlich für mich tausendmal spannender als das bisschen Vor und Zurück der Haupttruppen beider Seiten waren. Man könnte bestimmt mit schon allein 2-mal sovielen Truppen auf beiden Seiten einiges auf dem Platz machen.

Inspection des Armes.
Inspection des Armes.

Wir gelangten gut gelaunt ins Lager, wo sogleich von mir das Feuer wieder in Gang gebracht wurde, während wir alle unsere Waffen putzten. Die Inspection des Armes funktionierte super und konnte ziemlich schnell über die Bühne gebracht werden. Wahrscheinlich hätte man an dem Tag noch mehr exerzieren können. Aber der Abend war dennoch sehr schön. Ich sang so viel wie lange nicht und Hongrois und Le Joueur (mit dem ich endlich mal 2 Partien Piquet gespielt habe) stachelten mich immer wieder zu noch einem Lied an.

Die Badner waren an Speisen und Bier so spendabel wie immer, wofür ihnen überall unser Dank nacheile. Dabei war unsere Suppe auch sehr gut und wurde, da sie von Briquet ständig (auch am Folgetag wiederum) wieder aufgesetzt wurde, sogar immer besser. Wir hatten noch ein paar sangesfreudige Franzosen mit an unserem Feuer, die sich auch über Capitaine Schmidts und meine Sangesfreude begeistert zeigten. Kurzum ein total netter Abend, der mir auch wiedermal bewies, dass man zum Spaß nicht viele Grenadiere braucht, aber eben die richtigen zum richtigen Augenblick.

Am nächsten Morgen gelang es uns noch ein bisschen zu exerzieren. Wir konzentrierten uns auf Drehungen auf der Stelle, Pyramidenbau und Marschieren. Da fällt mir ein, dass wir unbedingt eine Uhr oder ein Pendel brauchen, um mal wieder das richtige Schrittmaß für den Pas ordinaire (76 Schritt pro Minute) rein zu bekommen. Zumindest in Neuf-Brisach waren wir immer wieder viel zu schnell.

Mein Capitaine wollte mir nicht glauben, dass wir entsprechend dem Reglement in Gottersdorf vor Jahren mit Abständen zwischen den Soldaten das Ausrichten in der Linie beim Marsch geübt haben. Er wollte deswegen mit mir um eine Flasche Wein wetten. Die Auflösung der Wette kommt unten. Gegen halb 11 Uhr musste ich mit Le Joueur aufbrechen, da ich bei Freiburg noch mittags einen Termin hatte. Wir verabschiedeten uns von allen Kameraden und machten uns auf den Weg.

Ich fand die Veranstaltung für mich selber prima. Die 22e war zwar nur 6 Mann stark (Capitaine Schmidt, "Sergent" La Cravate (ich wurde auch immer mit Sergent angesprochen), Grenadier Chasseur, Grenadier Briquet (eigentlich bei der 22e artillerie), Grenadier L'Hongrois, Grenadier Le Joueur. Doigt de Fer und Ex-Moustache waren nicht gekommen, aber ich fand die Stimmung (l'ambiance) super! Ich denke unsere beiden jüngsten Grenadiere haben sicherlich viel gelernt und sich sehr gut geschlagen.

Nun zur Wette:

Reglement das Exercitium und die Manövers der Französischen Infanterie betreffend, vom 1sten August 1791, Abtheilung der Soldaten-Schule, Erster Theil, Seite 30:

45. Wenn zwey oder drey Mann zusammen exercirt werden, wird der Instructor beobachten, sie einen Schritt von einander zu stellen, um zu verhüten, daß sie die üble Gewohnheit annehmen, die Ellenbogen vom Leib zu entfernen, oder sich an ihren Nebenmann anzulehnen.

Diese Marschierübungen mit offenen Stellen zwischen den Nebenmännern passen eigentlich genau zu dem Stadium der Ausbildung unserer Rekruten. Denn zuerst müssen diese ohne Gewehre einexerziert werden. Das wollte ich ja auch eigentlich machen. Vielleicht probieren wir das im nächsten Jahr einmal aus.

La Cravate



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