Die Abenteuer des Rekruten Copain im 22ten Régiment de Ligne.



Um der Enge im elterlichen Hof zu entfliehen, hatte ich mich freiwillig in die französische Armee gemeldet. Nicht unerheblich beigetragen zu diesem Entschluß hatte auch die Aussicht auf große Abenteuer und das Ansehen des Soldatenstandes. Ich begab mich also auf die Reise zu meiner Einheit, die irgendwo um Beichlingen zu finden sein sollte.

Dort angekommen, war aber von der glorreichen 22ten weit und breit nichts zu sehen. Also war Warten angesagt. Nach längerer Zeit des Ausharrens sah ich mich im preussischen Lager um und wurde auch gleich auf das freundlichste begrüßt. Danach auch gleich die Frage nach Eintritt in die preußische Armee. Ich verhielt mich abwartend, denn man kannte ja die nicht ganz so legalen Rekrutierungsmethoden, etwa im siebenjährigen Krieg, oder die schlimmen Berichte vom Dienst. Auch erblickte ich diesen Korporal mit seinem Stock, der sicher nicht nur zum Spaß dort war. Mir wurde sogleich ein preußischer Rock angeboten: "und zieh doch mal an, passt doch gut."

Es wurde Abend und ich richtete mich auf ein Übernachten im Lager ein. Ich ging noch etwas spazieren und nachdenken, da sah ich diese unverwechselbaren französischen Uniformen und Hüte. Da war mein Haufen!!! Kein Gedanke mehr an König und Preußen.

Nach kurzer Vorstellung und Einkleidung wurde im Kreise meiner neuen Kameraden ein Lager errichtet. Außer mir mit dabei waren: Sergent Sans-Souci, Caporal Champagne, die Appointés Rôtisseur und Cravatte, sowie die Grenadiere Mathieu, Délicat, Poisson, Os, Élève, und am Samstag noch Soudain und Picot. Wir lagerten auf einer Wiese, ringsum von Wald umgeben, mit Blick auf das Dach von Schloß Beichlingen. Dazu ein weiches Bett aus Stroh und zugedeckt vom Sternenhimmel, gewärmt von frohen Gedanken und einem Feuer.

Die Nacht war kurz und kalt. Den Morgenfrost aus den Knochen geschüttelt, und ich wurde sogleich für den bevorstehenden Kampf ertüchtigt. Mein Caporal Champagne unterwies mich fachgerecht im Exerzieren und dem Gebrauch der Muskete.

Gegen Vormittag kam dann der Befehl zum Aufbruch. Wir verpackten alle unsere Habseligkeiten und marschierten mit viel Gesang durch einen Wald. Wie sich herausstellte, verfolgten uns die Preußen vom Vortag. Wir erwehrten uns tapfer dieser feindlichen Übermacht, wurden jedoch bis an einen Imbißstand zurückgedrängt. Hier gab es die von allen gebrauchte Stärkung des Magens.

Nach dieser mittäglichen Unterbrechung der Kampfhandlungen gingen die Auseinandersetzungen auf einer Wiese weiter, wo die preußischen Linien an unserem Pelotonfeuer gebrochen wurden. Wir verfolgten den angeschlagenen Feind in das Dorf Altbeichlingen. Nach genialem Umfassungsmanöver durch die 22te wurde der Gegner auf dem Marktplatz taktisch besiegt und mußte sich ergeben. Da Frankreich über viele Galeeren verfügt, wird sich für die gefangenen Leute auch eine Verwendung finden.

Wir verbreiteten gegenüber der Presse und den örtlichen Bauern die Ideen der Revolution und wurden auch noch zum Kaffee eingeladen. Dieser kam sehr gelegen, weil ich sonst vor Müdigkeit noch eingeschlafen wäre. Nach dieser kleinen Stärkung gingen wir frohgelaunt in unser Lager. Hier warteten die Arbeiten des Frauenputzens und Essenmachens auf uns. Die Suppe, aus der Gamelle gegessen, war sehr köstlich. Wichtig war eigentlich nur, etwas Warmes zum Essen zu haben. Mit vollem Magen, gutem Wein und schönen Liedern ließen wir den Tag am Lagerfeuer ausklingen.

Aber nichts mit Nachtruhe. Es begann zu regnen, und deshalb wurde sich kurzerhand in einem Turm auf dem Schloß einquartiert. Hier war es dunkel. Also eine Zeitung angezündet, um die Örtlichkeit zu begutachten. Das Ergebnis: auf Steinboden kann man nicht schlafen. Schnell zwei Bänke hineingetragen, und fertig war das unbequeme aber trockene Bett.

Zu sehr später Stunde, mitten in den schönsten Träumen, bekamen wir Besuch von einem sehr angetrunkenen Dienstgrad. "Lall ... Wache ... Lall ..." Einhellige Meinung: "So betrunken, wie der ist, kann der von uns nicht verlangen, auf Wache zu gehen. Es könnte ja sein, daß einer von uns über seine geleerten Weinflaschen stolpert und sich etwas bricht." Soviel Gefahr ist keinem zuzumuten. Also wurde weiter geschlafen.

Gegen Tagesanbruch ging es zum Lager zurück, die Reste der Suppe vom Vortag wurden gegessen und ein Morgenschläfchen gemacht. Dieses wurde aber jäh unterbrochen von diesem impertinenten Kerl von preußischem Trommler. Nachdem dieser Schreck überwunden war und keiner mit Herzinfarkt liegenblieb, machten wir uns bereit für die Herausforderungen dieses Tages.

Voller Tatendrang zogen wir hinaus. Auf einem Waldweg erblickten wir vor uns die Preußen. Hatten die immer noch nicht genug. Unter geschicktem Tiraillieren zogen wir uns zum Schloß zurück. Im Schutze der dicken Mauern wehrten wir alle Angriffe ab, konnten aber dennoch nicht verhindern, daß einzelne Preußen ins Innere der Anlage vordrangen. Daraufhin teilte unser Sergent die Truppe, und wir ließen uns zum Schloßhof zurückdrängen.

Die Preußen folgten uns, und genau wie am Vortage gingen sie uns in die Falle. Das Ergebnis dieses Kampfes war, daß jetzt auch die letzte Galeere bemannt ist.

Nach so vielen Taten brauchten wir dann dringend Ruhe und Erholung. Als Anerkennung der geleisteten Dienste wurde jedem von uns zwei Wochen Urlaub gewährt. Die nächsten Ereignisse werfen schon ihre Schatten voraus.

Zum Schluß: etwaige Auflösungserscheinungen oder Fahnenfluchten in unserer Truppe konnte ich zu keinem Zeitpunkt beobachten, obwohl der Lauf durch die Gasse als Bestrafung doch etwas für sich hatte.

Gezeichnet: Grenadier Copain.