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Der Autor des Berichts, voller Motivation und Energie, bei der Vorbereitung auf den Abmarsch. |
Nachdem unser Bataillon in Belgien versprengt wurde, traf ich in der französischen Landschaft auf eine bunt gemischte Truppe und den Chef de Bataillon, der uns schon im Juni kommandiert hatte. Mangels anderer Grenadiere der 22. wurde ich mit zwei Freunden aus der Artillerie einer Füsilierescouade des 5e zugeteilt. Unter dunklen Wolken verschafften wir uns ein wenig Platz in einem alten Heuschober, dessen Zustand dem der Armée du Nord nach dem Desaster in Belgien entsprach. Unsere Laune ließen wir uns jedoch nicht ruinieren und kurze Zeit später sah unsere Lagerstätte fast wie eine normale Kaserne aus. Während mein Camembert mit beeindruckender Geschwindigkeit in den umstehenden Bäuchen verschwand, gelang es mir immer besser, mich mit etwas Unterstützung durch die Anspielungen, Witze und Gespräche zu hangeln. Ein paar schöne Lieder krönten den Abend, bevor wir uns in unsere Nachtlager begaben.
Früh am nächsten Morgen wurde uns berichtet, dass siegesgewisse Koalitionstruppen in der Nähe wären. Hochmotiviert brachen wir auf, die im Juni erlittene Niederlage auszugleichen. Nach ewigen Märschen und dem Scheitern der Kavallerie, den Feind auszumachen, begannen wir an seiner Existenz zu zweifeln. Auf Wachposten mit einem Franzosen vertrieb ich mir die Zeit damit, mein Französisch etwas zu entrosten. Einige Schüsse in der Ferne veranlassten den Aufbruch und unser Peloton eilte im pas accéléré in Richtung Gefecht.
Aufgrund des dichten Waldes sollten wir als Tirailleurs agieren, was unserer Section aber nur in großer Unordnung gelang. Glücklicherwiese konnte dies jedoch durch zahlenmäßige Überlegenheit und Enthusiasmus mehr als wettgemacht werden. Während unser Bataillon einige verbleibende Holländer verjagte, wurde ich leider von einem stumpfen Feuerstein und einem ewig langem Rattenschwanz an anderen Musketenproblemen aufgehalten.
Nach einer Mittagspause nahmen wir die Suche nach den Engländern und ihren Schergen wieder auf. Viele Strapazen folgten, während wir uns über Stock und Stein wortwörtlich mit Säge, Beil und Axt einen Weg durch Dornenmeere hackten. Der Sinn des ganzen hat sich mir nie ganz erschlossen, aber der Capitaine hatte seine Befehle. Vor einem Saint-Lucien genannten Dorf trafen wir auf die restlichen Pelotons sowie unsere Kavallerie. Unter den Augen der Anwohner folgten wir den anderen zwei Pelotons in die Ortschaft und warteten.
Unsere Ruhe wurde durch eine Kolonne schießwütiger Alliierten überrascht — ordentliche Posten hatten wir aus unerklärlichen Gründen nicht. Unsere Section formierte sich gerade noch rechtzeitig, um einen Bajonettangriff zu verhindern, doch nachdem unsere 2e Section die Stellung übernahm, wurden wir von hinten ohne Vorwarnung von feindlicher Kavallerie angegriffen, gerade von dort aus, wo eigentlich unsere Hauptstreitmacht Posten haben sollte! Nur knapp entkamen einige von uns der Einkesselung. Wir sammelten uns hinter unseren unfähigen Verbündeten und führten einen Gegenangriff. Dabei kam es in den engen Gassen zu einer kuriosen Situation: Eines unserer Pelotons wurde umzingelt, wobei einer der beiden einkesselnden Truppenteilen wiederum zwischen unseren umzingelten und weiteren französischen Truppen eingezwängt war. Man einigte sich auf einen Austausch der Truppenteile. Daraufhin trieben wir die Alliierten aus dem Dorf und weit über die dahinter liegenden Felder. Zum Dank versorgten uns die Einwohner reichlich. Begleitet von einer semantischen Debatte über Leberwurst erholte ich mich von den Strapazen.
Am Abend marschierten wir zu einem neuen Lagerplatz und erhielten eine zusätzliche Brotration. Im Halbdunkel mussten wir uns beim kochen, Unterstand errichten und Musketen halbwegs auf den morgigen Tag vorbereiten sehr eilen. Nach dem Essen musste ich bedauerlicherweise feststellen, dass keine Motivation und Energie mehr vorhanden war, um einen nächtlichen Überfall auf die Preußen zu unternehmen — es kann schließlich nicht jeder ein motivierter Grenadier der 22e sein!
Sonntag war von Marschieren geprägt, bis wir an einem Waldrand anhielten. Als Posten sah ich mich einem Dickicht gegenüber, in dass ich nicht weiter als 5 Meter blicken konnte. Meine Sorgen wurden von Musketenfeuer und "Vive le Roi" aus dem Wald nur verschärft, bis ich wieder zurückgerufen wurde und wir in geschlossener Formation einer Horde Belgier entgegenmarschierten. Das folgende Gefecht zog sich in die Länge, wir wurden von unseren Offizieren durch kniehohe Pfützen und mannshohe Dornenwälder gehetzt, ohne jegliche Rücksicht auf Verluste. Bei der verlangten Geschwindigkeit hätte man meinen können, wir sollten als Kavallerieersatz dienen, da die vornehmen Herren der Kavallerie allesamt im Morgengrauen desertiert waren. Einige letzte steile Hänge mussten wir noch stürmen, bevor die Koalition einsah, dass es das Gefecht nicht wert war und sie abzogen. Mit Marlborough s'en va t'en guerre zogen wir im nächsten Dorf ein.
Eine äußerst interessante Veranstaltung, bei der die Wichtigkeit von guten Kundschaftern, ordentlichen Posten und des Drills zur Geltung kam. Der Mangel an Unteroffizieren erschwerte uns den Weg maßgeblich, trotz der daraus resultierenden entspannten Stimmung. Insgesamt aber ein fantastisches Event, welches den weiten Weg allemal wert war!
Le Bonheur
Ein ihn begleitender, des Französischen und Deutschen mächtiger Soldat interveniert: "Oh nein, das ist keine Leberwurst, das ist foie gras!" — "Foie gras?" — "Ja, foie gras, aus Gänseleber gemacht." — "Also doch Leberwurst!" — "Oh nein, foie gras ist etwas ganz anderes als Leberwurst, auch wenn sie aus Leber gemacht wird!" — Die Diskussion zieht sich noch ein Weilchen hin, bis der junge Veteran nachgibt und den lediglich kulturellen Unterschied zwischen foie gras und Leberwurst für jetzt anerkennt.
In diesem Augenblick kommen zwei andere deutschsprachige Soldaten hinzu, sehen die Schnittchen auf dem Tisch und sagen erfreut, halb zu sich selbst: "Oh, Leberwurst!"