Die Schlacht bei Jena 2022

Au feu.
Abendstimmung

Endlich habe ich es einmal wieder geschafft, zu einem Treffen der 22e mitzukommen. Vor der Fahrt nach Vierzehnheiligen wurde ich von unserem Chef de Bataillon Schmidt mit meinen Aufgaben als guide général de droite vertraut gemacht, damit ich diese Aufgabe erstmalig übernehmen konnte. Ich freute mich schon, zahlreiche altbekannte Gesichter wieder zu sehen.

Lange nach dem Einbrechen der Finsternis trafen wir im Biwak bei Vierzehnheiligen ein. Unser überaus tatkräftiger Offizier Rôtisseur hatte bereits einen kleinen Unterstand errichtet, der sich an das Zelt des Grenadiers Le Tabac anschloss. Ich bemühte mich, nachdem ich meinen persönlichen Kampf mit dem lange Gamaschen unter mein Panatalon ziehen gewonnen hatte, mir die Namen der Grenadiere meiner Escouade einzuprägen: Bras de Fer, Le Bonheur (neu!), Belle-Humeur, Le Tabac, Lefèvre, La-belle-Mer (neu!), Trompelamort und Le Peintre. Nach ein paar leckeren Würstchen und Bier wurde der Abend am Lagerfeuer neben unserem Nachtlager beschlossen.

Nach einer verregneten aber recht milden Nacht erwachten wir sehr früh durch lautes Trommeln und Hornsignale. Ich formierte als Escouadenchef aus sechs unserer Grenadiere die Fahnensektion, mit Bras-de-Fer als Porte-Aigle. Nur einer unserer Grenadiere sollte demnach Gelegenheit bekommen zu feuern. Das 1er Peloton, dem ich als guide général de droite zugeteilt war, übte die Schwenkungen. Die Zeit bis zum Abmarsch wurde damit vertrödelt, dass man laufend Panik machte, wir müssten bald aufbrechen. Deswegen kamen wir leider nicht zum Üben der Handgriffe. Endlich brachen wir nach einer Ansprache des Premier Consul bzw. Kaisers zum Schlachtfeld auf. Unsere in unserer Nähe kampierende Artillerie brauchte auf dem Marsch immer wieder helfende Hände aus unserem 1er Peloton, um ihr Geschütz zu bewegen. Im Dörfchen Lützeroda erlebte ich die kürzeste Pause von 20 Minuten meines Lebens, da wir plötzlich aufbrechen mussten, um auf der gegnerischen Seite des Schlachtfeldes erneut die Manöver aus der Bataillons-Schule zu üben. Schließlich kamen wir in unserem Bereitstellungsraum an, wo wir zwischen ein paar Pausen auch die Schwenks des Pelotons wiederholen mussten.

Endlich erhielten wir Ordre vorzurücken, nachdem unsere Vorhut aus leichter Infanterie auf die gegnerischen Plänkler gestoßen war. Wir bewegten uns auf eine Anhöhe, wo unsere feuernde Batterie stand und sich auch das Oberkommando befand. Eine gefühlte Ewigkeit lang beobachteten wir, aufgestellt in Kolonne, wie sich unsere infanterie légère mit der sächsischen Leichten beballerte und immer wieder von den ungeordneten verbündeten Husaren angegriffen wurde. Immerhin nahmen sich ein paar französische Dragoner ausgesprochen gut aus. Einer von ihnen preschte immer wieder mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit als Meldereiter hin und her.

Le petit caporal.
Der petit caporal auf dem Kleinen Onkel.

Unser Chef de Bataillon erhielt den Befehl, gegen einen Graben auf unserer linken Flanke vorzugehen. Die der unseren deutlich überlegene feindliche Reiterei konnte uns mit all ihren Attacken wenig anhaben. Der Gegner bemerkte wohl, dass unser Bataillon auf der neuen Position eine ziemliche Gefahr darstellte, und schickte ein paar Plänkler an einem Waldsaum gegen die Flanke unseres 3e Peloton. Geistesgegenwärtig schickte unser Chef de Bataillon den grünuniformierten Halunken unser 3e Peleton entgegen. Der Kampf am Graben brandete hin und her, und so überquerten wir ihn mehrfach in beide Richtungen. Als wir endlich auf der gegnerischen Seite Fuß gefasst hatten, lichteten Desertion und andere "Verluste" unsere Reihen. Doch all das konnte uns sowenig etwas anhaben wie die arg mangelhafte Feuerquote unserer Pelotons. Unwiderstehlich drangen wir voran, auch da die Preußen meistenteils nur Abteilungen gegen uns schickten, die nicht mal einen Drittel unserer Stärke hatten und im Nahkampf theoretisch keine Chance gegen uns gehabt hätten. Zu diesem Zeitpunkt war der Premier Consul bzw. Kaiser auf seinem schönen Schimmel so begeistert von uns, um immer wieder hinter unserer Linie Deckung vor den feindlichen Husaren zu suchen und unseren Elan aus nächster Nähe zu bewundern.

Endlich gingen wir mit "En avant — en avant!"-Rufen mit gefälltem Bajonett dem an einem Hang stehenden Feind auf den Leib. Der Widerstand der Sachsen und Preußen schlug ein halbes Peloton von uns in die Flucht. Als ich die Fliehenden einholte, riefen sie, sie bräuchten nicht Halt machen, da der Guide ja auch fliehe. Ich aber ließ mich davon nicht beirren, stellte sie in zwei Reihen, befahl "Portez vos armes!" und führte die Männer wieder zurück zu unserem Bataillon, wo ich sie rechts anschließen ließ. Ich fand es sehr schön, dass unser Chef de Bataillon die albernen Verhandlungen der geschlagenen Verbündeten ignorierte.

Der Feind räumte das Feld und wir machten uns auch auf den Weg in unser Biwak. Den Marsch zurück empfand ich als sehr schön. Die Leute an der Spitze des 1er Peloton summten oder sangen leise ein paar Arien oder Lieder. Ich genoss hinter Lützeroda den Anblick der Landschaft östlich von Vierzehnheiligen, mit einer pittoresken Windmühle und der leicht gewellten Topographie. Später schmetterten wir den "Chant du Départ", als wir in Kolonne zurück ins Biwak einmarschierten. Der Abend war recht schön, auch da es nicht mehr regnete. Das Trio aus Bras de Fer, Rôtisseur und meiner Wenigkeit sang am Lagerfeuer ein paar schöne Lieder. Es war schön zu erleben, dass ein paar Leute von uns mittlerweile "Si vous aimez la danse" aus Gossecs "Le triomphe de la République" so gern mögen wie ich. Es war ein bisschen schade, dass einige ihre Musketen nicht reinigten bzw. bei der Inspection des Armes nicht anwesend waren, als die Kommandeure oder Adjudants unseres Bataillons im Schein einer Laterne unsere Musketen inspizierten.

Es freute mich, Grenadier Moustache auch ohne Bart wieder zu sehen. Der Wettbewerb um den schönsten Schnurbart der 22e wurde trotz meiner eifrigen Bemühungen mühelos von Capitaine Schmidt in seiner Abwesenheit gewonnen. Am nächsten Morgen ließ ich die verbliebenen Grenadiere zur Assemblée antreten. Mit diesen marschierte ich zur Zeltreihe der Jungs vom 70e régiment. Von ihnen wollten zwei Füsiliere ein bisschen Soldatenschule lernen. Das machte mir Spaß. Mit 6-7 Mann kann man schon einiges üben und ich beschränkte mich dabei auf die für das Gefecht wesentlichen Befehle wie "Croisez la baïonnette" und das Laden und das Feuern in verschiedene Richtungen. Es war sehr befriedigend zu sehen, wie rasch manche dazulernten, und dass unsere Musketen wenigstens besser geputzt waren als die vom 70e de ligne. An der Stelle möchte ich unserem Offizier Rôtisseur für seine Unterstützung danken. Ich mache das mit dem Kommandieren auch als Appointé zu selten, um perfekt ein Exerzieren anzuleiten. Aber da habe ich wenigstens ein bisschen Ehrgeiz, es besser zu machen. Sehr köstlich war die Suppe, welche Grenadier Le Tabac sehr schön während unserer Abwesenheit in unserem Biwak gekocht hatte. Mir hat lange kein Essen auf einem solchen Biwak so gut geschmeckt.

Au feu.
Drapeau et guides généraux — sur la ligne !

Daher war ich am Ende auch recht zufrieden mit der Veranstaltung. Ich fand meine Rolle als guide général de droite und mein Zusammenspiel mit dem guide général de gauche vom 70e de ligne und unserem porte-aigle recht interessant, und von daher habe ich persönlich ein paar interessante Erfahrungen gemacht. Immerhin haben 10 Mann von der 22e auch im Bataillon uni wirklich mitgewirkt, und das war mehr, als ich in den letzten Jahren erleben durfte. Ich denke, dass man das Positive für sich mitnehmen sollte. Dabei wären auch unsere beiden freundlichen und willigen Rekruten La-belle-Mer und Le Bonheur unbedingt zu nennen, über deren Wissbegierde beim Gewehrputzen und ihre Nachsicht mit meiner mangelnden Perfektion als Escouadenchef ich mich sehr freute. Es macht auch einfach mehr Spaß, wenn man als Escouadenchef etwas zu tun hat, weil 8 Mann antreten statt 2-3 Grenadiere wie ich es sonst erleben durfte. Vielen Dank an alle 22er, welche mir als Gemeinschaft die Veranstaltung als etwas lohnenswertes erscheinen ließen. Ich freue mich auf unser nächstes Biwak — auch gern mit mehr Exerzieren. Ich bin bereit.

Bei ziemlich gutem Wetter und nachdem wir etliche Fuhren Stroh weggetragen hatten, traten wir unsere Heimreise an. Ich bin gern wieder bei einer so reibungslos organisierten Veranstaltung dabei.

La Cravate,
Appointé