Bericht des Bürgers La Cravate an die im Vaterlande verbliebenen Grenadiere der 22e demi-brigade d'infanterie de ligne.


Soldats, je suis content de vous ...
Die doppelt gute Rede, die für jeden Ort und jeden Zeitpunkt und jeden Truppenteil paßt: "Soldaten, ich bin zufrieden mit euch. [...]
Die anderen Nationen haben uns den Krieg erklärt, aber wir werden den Krieg in die Herzen ihrer Länder tragen. [...] Es lebe die Armee von Italien."

Bürger, es ist mir eine Ehre euch von den ruhmvollen Taten unseres Detachements der 22e demi-brigade zu berichten! Als ich, euer Appointé La Cravate mit den Bürger Grenadieren Sans-Souci und Belle Humeur in Porcia ankamen, machte bereits die Kunde die Runde, auch der General Buonaparte sei gerade eben eingetroffen. Zur Freude meiner Wenigkeit und meiner Kameraden fanden wir sogleich die Grenadiere La Feuillette und Trompelamort sowie den Sergent Rôtisseur. elch ein Vergnügen, endlich wieder in dieser Runde einen Abend zu verbringen! Vivent les grenadiers!

Am nächsten Morgen marschierten wir zu dem Rathause, vor dem der Freiheitsbaum aufgerichtet wurde. In diesem Augenblicke traf auch der Bürger General Buonaparte nebst seiner Entourage ein, welcher die vorhandenen Bataillone sogleich inspizierte, wobei der Bürger General für so manchen ein warmes Wort hatte. Vive le Géneral Buonaparte! So klang es durch die Sträßchen des kleinen Ortes. Wir genossen selbst die Segnungen der Freiheit, indem uns gestattet wurde, ein wenig die Gegend um das Rathaus zu erkunden, wo auch durchaus tauglicher Tabak erworben werden konnte. Die lieben Kinder des Städtchens tanzten zum Klang der Trommeln und dem Gesang der Bürger La Cravate und Sans-Souci die Carmagnole um den Freiheitsbaum.

In diesem Moment kommt mir eine Hymne an den Freiheitsbaum in den Sinn, doch davon vielleicht ein andermal, wenn wir wieder in die blühenden Gegenden Italiens geführt werden sollten.

Wenig später rückten wir in den Flecken Valvasone ein. Nach einer kleinen feinen Mahlzeit hielt auch hier der General Buonaparte eine flammende Ansprache an die Armée d’Italie, die mindestens genauso gut war wie die in Porcia. Nach solcher doppelter Labsal waren wir bereit, gegen die Österreicher auszuziehen, welche sich unweit dem Orte an einem kleinen Wall verschanzt hatten. Ihre Tapferkeit glich eher einer frechen Kühnheit, oder aber sie vertrauten auf die Kartätschen ihrer der unseren doppelt überlegenen Artillerie, denn an Infanterie waren sie nur ein kleines Häuflein. Daß nicht schon unsere erste Welle die wenigen Österreicher hinwegfegte, erstaunte mich bereits, als uns aber ein Häuflein der feindlichen Grenadiere mit dem Bajonette anfiel, kannte meine Verwunderung keine Grenzen mehr. Während wir ein kleines Fließ überwanden und den Erdwall hinauf stürmten, gelang es mir, den Grenadier Sans-Souci aus den Händen der flüchtenden Feinde zu befreien. Sodann zogen wir uns nach dem leicht errungenen Siege zurück nach Porcia. Nach dem Abendapell bemerkte ich die große Vorliebe des Bürgers Trompelamort für das Würfelspiel, wenn nur eine 21 mit im Spiele war. Der Bürger La Feuillette verdrehte noch ärger als ich selbst die Augen, sooft insonderlich Trompelamort das "Glück" hatte, die verwünschte Zahl zu erwürfeln, was unmöglich mit rechten Dingen zugehen konnte. Bis auf den Bürger Sans-Souci, der jedem solchen Zeitvertreibe Feind ist, hatten wir alle von den Grenadieren unser Vergnügen am Würfeln und einem einigermaßen rabiaten Kartenspiele, das ich in Deutschland gelernt hatte. Auch wurde viererlei gesungen, wobei es sich einmal wieder als reizvoll erwies, wenn der Sergent und der Appointé La Cravate aufeinander treffen, da sie beide doch ein unterschiedliches Repertoire von hübschen Liedlein über die Jahre im Dienste der Republik lieb gewonnen haben. Insonderlich mochte ich den hübschen Kanon, dem die Bürger Rôtisseur und Sans-Souci so sehr zugetan sind. Voller Begeisterung für Rôtisseurs Sangeskunst ließ sich der Bürger Appointé mit einem "Vive le sergent!" hören, so dem Sergent garnicht recht war.

Feu et joie.
Nach dem Musketenputzen.

Den nächsten Tag ging es bald ins Gefecht, da die frechen Österreicher gewagt hatten, in die Wälle von Porcia einzudringen. Die Masse der französischen Infanterie marschierte mit wehenden Fahnen vor dem General Buonaparte auf und ab, und übte die Formierung in Kolonne und das Entfalten in Linie. Als der Angriff auf die Österreicher ernstlich anging, griff das starke französische Bataillon mal in Kolonne mal in Linie entschlossen an, derweil auf der Flanke die leichte französische Infanterie die österreichischen Grenadiere beschäftigte. Nach einigem Vor und Zurück schien es, als habe das Bataillon der Unsrigen der Mut verlassen. Da kam der Bürger General Buonaparte heran, ergriff die Fahne einer Halbbrigade und führte persönlich das Bataillon in den Kampf. Diese Entschlossenheit hauchte den Bürgern neuen Mut ein. Nun konnten die Tyrannenknechte unmöglich widerstehen, sie wurden über den Haufen geworfen und im weiteren Gefechte rasch in alle Winde zerstreut. Ob auch einige Stücke erbeutet wurden, vermochte ich aus meiner gegenwärtigen Lage nicht zu sehen. Der Moniteur wird darüber gewiß berichten und zum Ruhm unserer Waffen seinen Teil beitragen. "Vive la Nation!" erschall es über den Platz, als endlich der Sieg da war. Leider mußten schon bald die Grenadiere La Feuillette, Trompelamort und der Sergent Rôtisseur abrücken, derweil wir hier in Porcia blieben.

Wie das Glück so spielt, ist doch erstaunlich! Wir wollten nur ein wenig an einem ruhigeren Orte exerzieren, als wir dem Adjudant des Bürgers General Buonaparte begegneten. Wir hielten und gingen ins "Portez armes" und schon waren wir die Garde des Géneral en Chef. Der ausgezeichnete Tambourmajor, dessen Musik uns schon so sehr gefallen hat, als wir am Vortage nach dem Rathause marschiert waren, führte dem General Buonaparte seine und seiner Tambours Künste vor. Der Rekrut Belle Humeur schlug sich wacker, als er dem General Buonaparte seine Kenntnisse in denen Gewehrgriffen vorführen mußte. Manch einer hätte wohl die Nerven verloren, doch er hielt sich unter des Generals und seines Appointés Augen durchaus wacker. Als wir von dem Stab des Géneral en Chef beurlaubt waren, wurde uns sogleich von anderer Seite eröffnet, wir dürften nun die Ehre unserer Demi-Brigade in einem kleinen Wettstreite verteidigen, worinnen ermittelt werden sollte, wer geschwind und einigermaßen präzise laden und feuern konnte. Die Bürger Belle Humeur und La Cravate taten ihr Bestes. Jedenfalls tranken wir später zusammen mit den guten Bürgern Füsilieren der 113e demi-brigade, die uns ihre Gewehre geliehen hatten, den guten Wein, so zu gewinnen war. Wir erfuhren, daß die österreichischen Ladestöcke einen bedeutenden Vorteil bedeuteten. Späterhin hatten wir die Ehre, einige Worte mit unserem Bürger General Buonaparte zu wechseln, der uns einige Huld bewies, deren wir würdig sein mochten oder nicht.

Ich will euch, liebe Grenadiere, nicht mit denen Berichten von verschneitem Gebirge und weiten Märschen ermüden, so ohnehin genügend im Moniteur und andernorts zu finden. Stattdessen will ich euch ein "Vivent les grenadiers!" zurufen und meinen Wunsch mituntermischen, euch so früher so besser wiederzusehen und verbleibe als euer getreuer

Appointé La Cravate
An V (1797)


Und hier noch ein Bericht eines anderen Grenadiers über einen fairen militärischen Wettbewerb, der nach dem Gefecht abgehalten wurde.

Schiedsrichter !

Sonntag nachmittag. Alle "Schlachten" sind geschlagen, es ist Zeit für die groß angekündigten "Militärischen Spiele, bei denen die Re-Enactors ihre Fähigkeiten in der militäischen Kunst unter Beweis stellen. Wie ? Das ist eine Überraschung ! Es wird Preise für die Gewinner geben, und, natürlich, eine Menge Spaß für Re-Enactors und Zuschauer. " (O-Ton Einladung)

La Cravate und Belle Humeur kommen mir entgegen. Père Fabius hat sie sich in eine Liste eintragen lassen, sie wissen aber nicht, ob sie dadurch nun ein Geschenk bekommen oder zum Abspülen in der Küche eingeteilt worden sind oder was es sonst bedeuten soll. Ich gehe Fabio suchen, um nachzufragen. Er sieht mich: "Gut, daß Du da bist ! Du bist Schiedsrichter !" Er drückt mit eine eng mit Text bedruckte DIN-A4-Photokopie in die Hand: die Regularien für die Wettkämpfe. Die Überraschung besteht darin, daß die Spiele nichts anderes als ein Schnelladewettbewerb zwischen von den einzelnen Gruppen gebildeten Pelotons sind. Da aber die meisten Re-Enactors ganz überraschender- und unvorhersehbarerweise schon abgefahren sind, wird stattdessen ein Schnelladewettbewerb zwischen überraschten einzelnen Re-Enactors abgehalten.

Gewertet wird eine Mischung zwischen reglementgetreuer Exaktheit und Schnelligkeit des Ladens: Es wird auf Kommando nach 12 Tempi (oder den entsprechenden Befehlen aus dem Reglement der Österreicher) geladen, hierfür sind vier Schiedsrichter eingeteilt, Experten im Exerzieren, die für die Reglementskonformität jeweils Punkte zwischen 2 bis 10 vergeben. Dann wird gefeuert, der Soldat lädt und schießt à volonté, mit einem voluminösen computerähnlichen Gerät auf dem Bierbank-Tisch der Schiedsrichter werden die verstrichenen Sekunden zwischen seinem ersten und dritten Schuß gestoppt, von 100 abgezogen und mit dem Durchschnitt der von den vier Schiedsrichtern vergebenen Punktezahl multipliziert.

Ich sehe die ominöse Liste: Wettkämpfer sind 3 österreichische Infanteristen, 3 Grenadiere der Garde des Consuls, 3 Grenadiere des 113e de ligne und eben La Cravate und Belle Humeur. Schiedsrichter sind ich, Fabio, ein netter aber inkompetenter Offizier des 113e de ligne, der ausgewählt wird, weil er gerade zufällig anwesend und der in der Soldatenschule noch kompetentere General Sokolov nicht aufzutreiben ist, und ein österreichischer Offizier, der noch nie ein französisches Reglement auch nur von weitem gesehen hat. Aber zumindest hat er - als einziger Schiedsrichter - ein österreichisches Reglement von innen gesehen.

Der Wettbewerb beginnt "sofort". Ein italienisches "sofort". Also habe ich noch etwa 20 Minuten Zeit. Ich nutze sie, um die einzelnen Wettkämpfer aufzusuchen und über die Abgründe der menschlichen Natur aufzuklären: Schiedsrichter, mich leider einbegriffen, tendieren dazu, besser zu bewerten, wenn sie ein Bier spendiert bekommen haben. Überall ernte ich ungläubiges Lachen. Ich darf künftig nicht mehr soviele Witze machen, sonst denken die Leute, ich würde immer nur scherzen.

Mein Durst ist dadurch nicht vergangen, also lasse ich mir selber für 2 Euro ein Bier in meinen Zinnbecher abfüllen und stelle ihn auf den Schiedsrichtertisch. Der Anblick scheint jemanden nervös gemacht zu haben. Plötzlich erscheint einer der Grenadiere der Garde des Consuls und drückt mir einen biergefüllten Zinnbecher in die Hand. Ich stelle ihn neben meinen Becher, informiere die anderen Schiedsrichter, von welcher Gruppe der selbstlose Spender kam, und lade sie ein zuzulangen. Nur der joviale österreichische Offizier trinkt mit.

Das Spiel beginnt ! Nach gefühlt einer Stunde hat auch der letzte Wettbewerber endlich seine Schüsse abgefeuert. ENDlich ? Hahaha ! Es gibt einen zweiten Durchgang, der nach einer "kurzen Pause" beginnen soll. Die freie Stunde nutze ich unter anderem, um den Grenadieren der Garde des Consuls ihren Becher zurückzugeben und ihnen mitzuteilen, daß ich jedem eine um 0,5 Punkte höhere Bewertung gegeben habe, als er sie meiner objektiven Meinung nach verdient hätte. Sie freuen sich und rechnen nicht nach, daß das zusammen mit den Wertungen der drei anderen, neutraleren Schiedsrichter nur einen effektiven Punktgewinn von 0,125 bedeutet. Ich verkünde ihnen, daß der Effekt des Bieres auch in der zweiten Runde anhalten würde. Zum Glück scheint mein Französisch manchmal nicht völlig verständlich zu sein: plötzlich habe ich den Zinnbecher, nochmal randvoll mit Bier gefüllt, wieder in der Hand. Ich trinke auf ihr Wohl und ihren möglichen aber nicht garantierten Sieg, und gehe zurück zu Fabio.

Mir ist nämlich aufgefallen, daß die beiden im Wettkampf verbliebenen Österreicher (insgesamt zwei Leute mit ungeputzten Musketen kriegten keinen Schuß raus und waren ausgeschieden) in der Punktewertung noch vor dem mit Abstand besten Franzosen: La Cravate, liegen. Sie sind sehr schnell, wirklich schnell, und außerdem haben die Unvertrautheit der drei französischen Schiedsrichter mit dem österreichischen Reglement und die Sympathie des östereichischen Schiedsrichters einen unheilvollen positiven Einfluß auf die Punkte, die sie für ihre reglementsmäßige Exaktheit erhalten.

Ich mache Fabio darauf aufmerksam, daß das österreichische Gewehr einen an beiden Enden verdickten Ladestock hat, so daß sie den Ladestock nach dem Herausziehen nicht mit ausgestrecktem Arm der Luft drehen müssen, sondern das hintere Ende des Ladestocks nach dem Herausziehen ohne Drehung gleich in den Lauf stoßen können. Dadurch sparen sie Zeit beim Laden, und das wäre die Erklärung für ihren Vorsprung in der Wertung.

Fabio hat jedoch ganz andere Probleme. Die Zuschauer hatten sich schon früh im Laufe des spaßigen und abwechslungsreichen Wettkampfes immer mehr verlaufen, und jetzt, wo noch weniger passiert, nimmt ihre Zahl noch mehr und noch rascher ab. Die kurze Pause wird extrem verkürzt und es geht mit einem deutschen "sofort" tatsächlich sofort weiter.

Neun Durchgänge. Neun Ewigkeiten später liegen die beiden Österreicher immer noch vorne. Zum Glück - nun ja, nur nicht zum Glück der Schiedsrichter - gibt es "sofort" (die letzten sieben Zuschauer machen Anstalten wegzugehen) einen dritten spaßigen Durchgang, diesmal aber zum Glück für alle nur mit den vier Teilnehmern, die bisher die besten Wertungen haben. Die Preise für die Gewinner werden auf den Tisch gestellt: drei Flaschen Wein für den Punktesieger, zwei Flaschen Wein für den Zweitbesten, nichts für die übrigen. Und nichts für die Schiedsrichter. Was sollen wir bloß am Abend trinken ?

Lohnt es sich, La Cravate objektiv zu beurteilen ? Immerhin ist er der beste teilnehmende Franzose. Glücklicherweise macht La Cravate im dritten Durchgang tatsächlich weniger Fehler, so daß ich ihm guten Gewissens eine 9 geben kann. Fabio gibt ihm sogar eine unverdiente 10. Die anderen beiden ignoranten Schiedsrichter nur eine 7,5 beziehungsweise eine 8.

Doch sein Sieg ist damit nicht gesichert. Ich entscheide mich, die exakten Handgriffe der beiden österreichischen Soldaten, die ich mangels Sachverstand überhaupt nicht beurteilen kann, nicht mehr ganz so wohlwollend zu beurteilen, und ihnen jeweils einen halben Punkt weniger zu geben als ich eigentlich geben würde. Aber vielleicht haben sie ja auch eine Fehlzündung und einer von ihnen stürzt dadurch in der Punktewertung ab !

Der erste Österreicher tritt an. Im ersten Durchgang war er noch sehr nervös gewesen, so daß ich ihm, mehr aus Sympathie, nur eine 6 gegeben hatte. Jetzt, wo es auf alles ankommt, zuckt er mit keiner Wimper. Routiniert macht er seine Gewehrgriffe, Schuß um Schuß geht raus, er ist fertig und schultert konzentriert seine Muskete. Ich schäme mich fast, daß ich ihn nur mit einer 7 bewerte. Doch ich tröste mich, daß ich ihm, hätte ich das österreichische Reglement in der Hand, sicherlich viele Fehler nachweisen könnte.

Alles hängt nun am letzten Österreicher. Er tritt vor: Exaktes Laden. Schuß. Rasches Laden. Schuß. Rasches Laden. Schuß. Mist. Die vier letzten verbliebenen Zuschauer applaudieren.

In der Endwertung besetzen die beiden Österreicher den ersten und zweiten Platz. Fabio verkündet das Ergebnis, und daß, da die Österreicher ja ein anderes Reglement und eine andere Muskete als die Franzosen hätten, der besseren Objektivität halber jede Nation jeweils einen der beiden Preise bekommen würde. La Cravate ist der Beste ! (Franzose)

Den Wein teilen wir mit den Grenadieren des 113e de ligne, vor allem mit dem von ihnen, der La Cravate für den Wettbewerb seine Muskete geliehen hatte, weil La Cravate seine eigene Muskete mittags nach dem Gefecht schon geputzt hatte.

So wurde der Tag im lustigen Kreise beendet.



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