Saint-Quirin.


La Cravate.
Grenadier La Cravate.

Nach einigen Irrungen und Wirrungen habe ich es dann doch geschafft, nach Saint-Quirin zu kommen und ich muss sagen, dass es sich, obwohl mir im Moment noch gefühlt alles wehtut, überaus gelohnt hat.

Am Freitagabend waren wir mit ein paar Preußen im örtlichen Gasthaus, wo das Essen sehr gut war und man sich verständigen konnte. Sehr nett war der nächtliche Spaziergang hinauf zur Haute-Chapelle oberhalb des Dorfes, wo wir bei Wein und Sherry über den heiligen Quirinus, Opferaltäre und schöne Frauen mit ein paar prima sympathischen Preußen philosophierten.

Von den angeblichen 60 Teilnehmern war am Samstagmorgen auch nur ein kleiner Teil da. Wir sollten von den Preußen und Badnern verfolgt durch den Wald marschieren. Generell muss man dazu sagen, dass ich den Eindruck bekam, dass unser einheimischer Führer darauf gedrillt war uns möglichst die steilsten Strecken in dem bergigen Gelände entlang zu führen. Nach ein paar heftigen Anstiegen beschloss unser Capitaine, dass Sans-Souci, ich und 2 weitere den Gegner auf dem Weg aufhalten sollten, während unsere Hauptmacht, etwa 12 Musketen und einige Offiziere ihm den Hang herab in die Flanke oder in den Rücken fallen sollte. So also der Plan.

Wenn man uns alleine lässt, entwickeln wir natürlich auch unsere eigenen Ideen, was dann in einer Art Barrikade aus Holzstämmen und Ästen resultierte. Dort warteten wir eine ganze Weile, bis wir unten im Tal die Preußen erspäthen, die sich offenbar ein bisschen verlaufen hatten. Von uns hatten sie scheinbar noch keine Ahnung. Als sie aber auf unserem Weg hoch kamen schickten sie ihre Jäger voraus, von denen ich einen entdeckte. Dann hörten wir von Ungefähr, dass sie sich berieten.

Dass wir auf der Straße nur ein kleines Häuflein waren, ist ihnen offensichtlich nicht entgangen. Statt uns also frontal angreifen zu lassen, gingen nur ihre badischen Jäger auf uns zu, während die Preußen oberhalb von uns plänkelnd vorrückten. Unsere Hauptmacht, die eigentlich versteckt lag, geriet dann mit ihnen in ein Geplänkel. Unsere Barrikade hatte also gar keine Wirkung! Dennoch war es auch für uns ein ganz nettes Geplänkel. Wir schlugen uns geschwind über den Weg, den wir hatten blockieren sollen, zu unserer Hauptmacht durch.

Nach einer kleinen Marschstrecke wollten wir lagern, wurden aber sogleich wieder von den Preußen aufgeschreckt. Einige Freiwillige wurden als Nachhut eingesetzt. Dann marschierten wir in ein kleines Vogesendörfchen, wo wir erneut lagern wollten und erneut von den Preußen attackiert wurden. Das enge Gedränge auf der Dorfstraße war etwas konfus.

Anschließend durften wir die Preußen verfolgen und hier begann nun unser Capitaine, offenbar motiviert durch Sans-Soucis Elan, stets unsere "file des grenadiers" Sonderaufträge zu erteilen. So war es auch gleich nach einem weiteren steilen Wegstück. Die Spitze unserer Marschkolonne waren zwischen zwei Felsen auf die Preußen gestoßen, die eine verlockende Stellung hatten. Daraufhin schickte unser Capitaine Henri uns beide durch ein dicht bewachsenes Gelände. Sans-Souci stürmte freilich wieder voraus. Als wir gesehen hatten, dass die Preußen weitergezogen waren, sprangen wir aus dem Unterholz und hatten damit den kleinen badischen Jägertrupp "im Sack". Das erste Mal in 5 Jahren, dass so ein Manöver geglückt war!

Der Grund war einfach, dass der preußische Lieutenant tatsächlich geglaubt hatte (wie wir später erfuhren), dass der dichte Wald unpassierbar war, durch den wir hochgerannt waren. Daraufhin bekamen Sans-Souci und ich immer von unserem Capitaine wieder den Auftrag, schnell durch dichtes Gestrüpp zu rennen, um den Gegner einzuholen.

Die erstaunlichste Leistung der Badner aber zeigten sie an einer Straßenkreuzung. Wir kamen angerannt, die Jäger feuerten und wir rannten hintendrein. Wir schlugen uns wieder querfeldein durch die Bäume und erwischten sie dennoch nicht. Unser Capitaine war so erstaunt wie wir. Die Preußen und Badner waren wie vom Erdboden verschluckt. So gab er uns nach mehreren weiteren Versuchen den Befehl, dass wir beiden unsere Tornister abgaben, um schneller zu werden und mit ihm persönlich an der Spitze den Gegner hinterher eilten. Ich glaube so flink waren wir selten unterwegs in unserer Karriere. Endlich trafen wir Einheimische, die uns erzählten, dass sie grün Uniformierte im Abstand von einem Kilometer vor uns gesehen hatten! Wir hatten ja bis dahin etwa 20 Minuten bestimmt keine Rast gemacht, aber die Jäger müssen tatsächlich regelrecht durchweg gerannt sein. Eine überaus sportliche Leistung!

Als wir eingesehen hatten, dass wir sie nicht einholen würden (zumal wir ja dann eh nur auf uns drei gegen ein Dutzend angewiesen gewesen wären), warteten wir auf den Rest. Während der eine gern Sans-Soucis Tornister getragen hatte, stöhnte der andere von der Garde höchst erleichtert nicht mehr so ein schweres Ding auf dem Buckel zu haben.

Nachdem wir ein Dorf durchquert hatten, wurde unsere erste Sektion auf freiem Gelände von der preußischen Nachhut befeuert, die sich wiederum gut versteckte. Unterdessen war unsere eigene Sektion auf nur noch 2 Rotten zusammengeschmolzen. Wir marschierten erneut recht eilig bis wir Schüsse von unserer zweiten Sektion, die vorne war hörten. Dann wurden wir ein paar Landwehrmänner oberhalb von uns gewahr und rannten den Hang hinauf. Statt uns zu überflügeln, nahmen wir bei der Gelegenheit drei von ihnen, ihren Lieutenant inbegriffen, gefangen. Wie er uns später erzählte, wollten sie sich eigentlich versteckt halten und uns in die Flanke fallen, während wir die Furt durch einen Bach überschritten. Irgendwie hatten sich aber Schüsse gelöst und sie hatten sich scheinbar nicht gut genug verborgen. Es war jedenfalls wieder ein schönes Geplänkel durch den Wald, Hang rauf, Hang runter.

Von dort aus marschierten wir und die Preußen auf getrennten Wegen eine ziemlich lange Strecke noch nach St.-Quirin zurück. Abends war ich zwar ziemlich erschöpft, aber raffte mich glücklicherweise noch zum Musketenputzen auf, was dadurch erleichtert wurde, dass Sans-Souci wie gewohnt gut gelaunt mitmachte. Das Quartier hatte den Charme einer alten Mehrzweckveranstaltungshalle, was daran lag, dass es eine alte Mehrzweckveranstaltungshalle war. Deswegen schmauchten wir lieber an der Straße eine Pfeife.

Die 15 Kilometer (gefühlte 30) steckten mir noch in den Knochen, aber was soll man machen, wenn einem ein so gut gelaunter Grenadier wie Sans-Souci voran springt? Bei der Inspection des Armes erwies sich, dass außer uns zweien kaum einer seine Muskete geputzt hat, wodurch die Hände des Capitaines Schwarz vom Inhalt der Läufe wurden. Zu meiner Muskete sagte er "wunderbar", auch wenn es bei unseren Inspections sicher nur mit einer 4 durchgegangen wäre. Aber immerhin, sie wäre funktionstüchtig gewesen.

Zu viert gingen wir dann an der Spitze auf erneut steilen Pfaden bis hinauf auf den sogenannten Lammerstein, einer kleinen Felsformation. Hier war ein großartiges Gelände für ein Geplänkel mit den uns verfolgenden Preußen. Überall waren mehr oder weniger geeignete Felsblöcke und das Terrain war so unübersichtlich, dass man kaum wusste, wo unsere Linie entlang verlief oder ob die Jäger uns gerade überflügelten. Das waren wirklich großartige Eindrücke. Der eine badische Jäger, mir und Sans-Souci gegenüber suchte auch immer geschickt Deckung hinter Baum und Stein.

Nach dem Gefecht marschierten wir ab bis zu einem Aussichtspunkt, wo wir einen herrlichen Blick in die Berglandschaft genießen durften. Von dort ging es zurück nach Saint-Quirin. Hier war ich endlich mal motiviert das eine oder andere Liedchen zu singen, was unserem guten Caporal und dem Capitaine gut gefiel.

Als wir uns eine Stunde ausgeruht und mit lothringischen und Elsässer Bier gelabt hatten, sollten wir zur Haute-Chapelle Sainte-Claire herauf steigen. Dort oben gab es dann auf dem kleinen Plateau noch ein Geplänkel zwischen unserem kleinen verbliebenen Häufchen (9 Musketen und 1 Offizier) und den Verbündeten (5-6 Preußen, 5 Badnern, 1 Hesse und ein Offizier). Da wir die ganze Zeit irgendwelche Sonderaufträge bekommen hatten, schlugen nun alle Jäger immer auf uns zwei französische Grenadiere an. So blieb Sans-Souci oben auf dem Plateau liegen und ich durfte mit seinem zauberhaften Schwarzen-Oli weitermachen. Es war wirklich eine Freude nachdem ich mit meiner kaum funktionierenden (4-5 Schuss in zwei Tagen) Muskete nun so eine Wunderwaffe in die Hände bekam.

Wir trieben die Preußen den gepflasterten Weg von der Kapelle herunter. Dabei kam ich immer wieder in tolle Positionen, hinter Bäumen versteckt feuerte ich auf ihren Offizier etc. Und dann fiel die Garde (das können sie wohl), die sich fast den ganzen Tag nicht hat sehen lassen, auf dem Dorfplatz vor der großen Kirche den Verbündeten in den Rücken. Es gab noch ein lustiges Geballer in einer Straße bis fast alle Verbündeten auf dem Pflaster lagen und ihr Offizier gefangen war. Dann hatten wir scheinbar das Dorf vom Gegner befreit. Das Gefecht war entgegen meiner Erwartungen recht unterhaltsam, vor allem, weil sich die Gegner auch recht geschickt anstellten und das Dorf (St.-Quirin wurde zu einem der Plus Beaux Villages de France gekürt) sehr nett anzuschauen ist.

Danach gab es noch eine sehr anstrengende Vorführung, wobei Capitaine (?) Schnaps verschiedene Infanteristen und Offiziere den Zuschauern erläuterte - und dabei standen wir ewig im Porter!

Unser Capitaine bedankte sich bei uns für den Einsatz aller seiner unverwüstlichen Mannen. Er selber war auch als blühendes Beispiel mit Tornister und kurzem Gewehr (ein Voltigeuroffizier) immerwieder an der Spitze voran geeilt.

Auch wenn die Veranstaltung mit sicher um die 25 Kilometern in 2 Tagen bei laufenden Gefechten sehr anstrengend war, war sie doch auch vor allem wegen der schönen Landschaft und den großartig aufgelegten Gegnern (geführt von Lieutnant Vahnenbrock und Feldwebel Pott) sehr unterhaltsam. Es war toll zusammen mit Sans-Souci wieder eine Veranstaltung in Frankreich zu bestreiten, wo ich freilich auch laufend mit unseren Kameraden Französisch schwätzen musste. Eine der tollsten Gefechtsveranstaltungen für mich der letzten 10-12 Jahre! Danke insbesondere an Sans-Souci, Dietrich und unseren bei mir nachsichtigen Offizier Henri (ich habe oftmals seine Befehle nicht verstanden, wenn sie mit Erläuterungen vermischt waren).

La Cravate



... zurück zur Startseite