200 Jahre Schlacht bei Craonne.


Mein erstes Reenactmentevent sollte stattfinden in Craonne, Frankreich. Bereits im Vorfeld machte ich mir viele Gedanken, wie es wohl ablaufen würde, was mich dort erwartete. Bevor sich diese Fragen aber beantworten sollten, musste erst einmal die Distanz bewältigt werden.

So machten wir uns bereits am Donnerstagabend auf den Weg Richtung Craonne. Bereits auf den ersten Kilometern wurde der Nebel ein ständiger Begleiter dieser Fahrt und lag als Schleier vor uns wie die Ungewissheit, was uns erwarten wird.

Nachdem wir auch Luxemburg und Belgien passiert hatten erreichten wir endlich Frankreich. Wir gewannen den ersten Eindruck des Krieges, passierten wir doch so geschichtsträchtige Orte wie Verdun. Auch die zahlreichen Soldatenfriedhöfe, an denen wir vorbeikamen, ließen uns viel reflektieren, was Krieg für Auswirkungen hat, schweißte unsere Reisegruppe aber auch bereits zusammen.

Schließlich erreichten wir Craonne.

Erst einmal stand die Errichtung des Lagers auf dem Plan und ich erhielt den Rest meiner Ausrüstung inklusive Waffenrock der leichten Infanterie, war ich doch dieses Mal der 9ème légère zugeteilt. Zusammen mit Marco, einem meiner beiden Reisebegleiter, stellten wir also die neuen Rekruten.

So dauerte es auch nicht lange, bis wir das erste Mal exerzieren durften. Es wurden uns die grundlegenden Handgriffe und Kommandos beigebracht, in französischer Sprache natürlich. Es wäre gelogen, wenn wir behaupten würden, wir wären nicht ein wenig überfordert gewesen. Doch mit ein wenig Übung gelang es uns, wenigstens die Grundlagen zu erlernen.

Inzwischen wurde das Lager immer voller und immer mehr Zelte wurden aufgebaut. Für Marco und mich entfiel das Aufbauen, da wir direkt am Lagerfeuer schliefen und uns die Nacht mit Stroh und der Wolldecke bequem machten.

Der restliche Abend verlief in geselliger Runde bei etwas Essen, dem einen oder anderen Tropfen Wein und netter Unterhaltung. Viele verschiedene Charaktere trafen hier zusammen, aber wir Rekruten wurden freundlich aufgenommen. Dennoch blieben viele Fragen: Was wird der Morgen bringen? Was erwartet mich im Feld? Wie waren nochmal die Kommandos?

Nach einer kurzen und zugegebenermaßen doch etwas kalten Nacht wurden wir geweckt und mussten erst einmal zum Appell antreten. Danach gab es Frühstück, jedoch hielten wir uns nicht all zulange damit auf. Wir mussten wieder alle antreten und marschierten auf ein nahegelegenes Feld, wo wir begannen, die verschiedenen Elemente der Formationen zu üben.

Zum ersten Mal wurde mir klar, wie wichtig der Rottenpartner ist. Doch ich hatte Glück und mir wurde ein erfahrener Mann zur Seite gestellt, sodass ich immer ein wenig Hilfe hatte. Auch half einem der Blick zu einem der Nebenmänner das ein oder andere Mal aus der Patsche. Und mit der Zeit gewann man ein wenig Gespür, was es bedeutet, so eine Gruppe von Soldaten auf dem Feld zu manövrieren, und wie wichtig es doch ist, die Befehle so exakt wie möglich auszuführen. Wie eng man in Formation steht, war mir im Vorfeld nicht bewusst, und eine Muskete gehört sicherlich nicht zu den handlichsten Geräten. Schnell lernt man, dass man nicht nur Verantwortung für die eigene Sicherheit, sondern auch die aller in der Einheit trägt.

Nachdem die Offiziere zufrieden mit unserer Leistung beim tiraillieren und exerzieren waren, marschierten wir zurück ins Lager, um uns kurz auszurüsten. Danach mussten wir alle wieder antreten und wurden nun ins Feld geschickt. Bereits den ersten Hügel erklommen wir im Laufen und spätestens hier wurde jedem klar: das wird ein anstrengender Nachmittag.

Zunächst bezogen wir Posten an einem Waldrand und es gab noch einmal ein wenig Zeit zum Pause machen, wenn man nicht grade zur Wache abkommandiert war. In zwei Sektionen marschierten wir dann aus und sicherten zunächst eine nahegelegene Kreuzung. Dort erspähten wir auch die ersten feindlichen Bewegungen und versuchten einen Hinterhalt zu legen.

Leicht versteckt zwischen ein paar Bäumen eröffneten wir das Feuer. Ich befand mich also inmitten meines ersten Gefechtes. Da der Feind weitere Truppen heranziehen konnte, mussten wir uns neu formieren und versuchten, den Feind zu umgehen, um ihn an anderer Stelle erneut angreifen zu können. Wie schwierig es ist, sich im offenen Gelände zu bewegen, sollte sich noch herausstellen.

Unweit der Stelle, an der wir vorhin noch gerastet hatten, entwickelte sich ein neues Gefecht und wir kamen den anderen französischen Truppen zur Hilfe. Hier erlebte ich auch meinen ersten Kavallerieangriff, den wir aber abwehren konnten. Mit vereinten Kräften schafften wir es dann auch, eine Gruppe Jäger gefangen zu nehmen. Die anschließende Pause kam uns sehr gelegen, da wir endlich die Möglichkeit hatten, ein wenig Wasser zu trinken und kurz zu verschnaufen. Obwohl es nachts noch sehr kalt war, gab es tagsüber viel Sonne und setzte dem ein oder anderen doch gewaltig zu, im Gefecht und beim Marschieren.

Schließlich marschierten wir dann zu einem nahegelegenen Bauernhof, um noch einmal unsere Wasserflaschen füllen zu können. Wir stießen auf keine weiteren feindlichen Truppen und marschierten letztendlich dann doch ins Lager. Aber für eine Pause war keine wirkliche Zeit. Schließlich mussten die Musketen nach ihrem ausgiebigen Gebrauch auch ordnungsgemäß gereinigt werden. Zugegebenermaßen keine leichte Angelegenheit, aber unter der fachmännischen Anleitung eines dienstälteren Veteranen, eine lehrreiche, besonders wenn es bei der Waffeninspektion durch die Offiziere hervorgehoben wird.

Der Tag neigte sich dem Ende zu, und nachdem es Essen gab, verweilte man bei ein wenig Wein in netter Gesellschaft. Doch irgendwann packt einen die Müdigkeit und Erschöpfung und man freut sich auf seinen Platz im Stroh am Lagerfeuer.

Und gerade als wir daran waren, uns hinzulegen, kam unser Offizier Sans-Souci auf uns zu, auf der Suche nach Freiwilligen für eine Nachtpatrouille. Worauf wir uns trotz unserer Müdigkeit gerne meldeten. Ziel der Patrouille war es, feindliche Vorposten zu entdecken und deren Stärke ausfindig zu machen. Mein Rottenpartner und ich hatten den Befehl, auf der rechten Flanke bis zum Fluss vorzustoßen, um mehr über die feindlichen Vorposten zu erfahren.

Es ist kein leichtes Unterfangen, sich bei Dunkelheit im Dickicht möglichst leise und verborgen zu bewegen. Das Gehör ist dabei eines der wichtigsten Instrumente, da man im dunklen Wald kaum was sehen kann. Nachdem wir Bericht erstattet hatten, dass wir keinen Feindkontakt hatten, wurden wir auf die Suche nach dem linken Flügel geschickt und mussten dazu den Fluss überqueren. Dabei konnten wir menschliche Geräusche ausfindig machen, aber die Frage blieb, ob es feindliche Truppen waren oder doch die eigenen. Nachdem es keine Antwort auf die Parole gab und man vor uns flüchtete, gaben wir dennoch einen Schuss ab. Lieber das eigene Leben schützen und retten, wie ich noch kurz vorher gelernt hatte. Erstaunlich, wie wichtig die Parole war, um sich gegenseitig in der Dunkelheit zu erkennen. So war es doch ein leichtes, teilweise nahe aneinander zu geraten, ohne voneinander zu wissen.

Letztendlich stellten sich die Flüchtenden als der verlorengegangene linke Flügel heraus und alle waren heilfroh, dass es zu keinem bösen Ende gekommen war. Nun durften wir endlich den Rückweg ins Lager antreten und fielen wie Steine ins Stroh. Der Tipp, ein paar Scheite Holz zwischen seinem Schlafplatz und dem Lagerfeuer liegen zu haben, sollte sich in der Nacht als goldwert herausstellen, war es doch wieder ziemlich kalt.

Aus dem Schlaf gerissen, mussten wir am nächsten Morgen wieder zum Appell antreten. Das Frühstück und die aufziehende Sonne halfen einem, wieder wach und munter zu werden, bevor wir erneut in voller Ausrüstung antreten mussten und wir auf ein nahegelegenes Feld marschierten. Dort bezogen wir Stellung und meine Rotte wurde nach vorne geschickt, um den Aufmarsch des Feindes zu beobachten.

Als wir schließlich die ersten feindlichen Bewegungen erkannten, rannten wir zu unseren eigenen Truppen zurück und unsere Truppe versuchte, den Aufmarsch des Feindes durch tiraillieren zu behindern. Zum Glück erhielt nicht nur der Gegner weitere Verstärkung, auch französische Truppen zogen aufs Feld. Dennoch mussten wir erst einmal geordnet zurückweichen, bis unsere Truppen uns verstärken konnten. Es entwickelte sich ein ordentliches Gefecht, aber wir konnten uns dem Feind gegenüber behaupten. Selbst die Kavallerieangriffe konnten wir rechtzeitig abwehren. Nach einer Weile ging uns aber so langsam die Munition aus, und nachdem andere Einheiten unsere Position übernahmen, konnten wir uns im rückwärtigen Raum mit frischer Munition und ein wenig Wasser auffrischen. Mit frischer Kraft und hoch motiviert ging es wieder an die vorderste Front. Zusammen mit der Alten Garde gelang es uns, die feindlichen Truppen zurückzuwerfen. Daraufhin kapitulierte der Gegner und wir konnten viele Gefangene nehmen.

Nach dem Gefecht traten wir gemeinsam mit den Alliierten Truppen aber noch einmal an, der französische Bürgermeister von Craonne und Sans-Souci hielten eine Rede und es wurde die Verbindung zwischen den europäischen Nachbarn betont. Anschließend gab es im Dorf Craonne noch einen kleinen Empfang und wir wurden mit Wein und ein paar Kleinigkeiten versorgt.

Damit war letztendlich auch das Wochenende vorbei und wir packten unsere Sachen, um die Heimreise anzutreten. Auf der Fahrt nach Hause besuchten wir noch ein paar Denkmäler und Erinnerungsstätten. Natürlich unterhielten wir uns auch viel über das Erlebte und welche Erfahrungen wir gemacht haben. Erstaunlich war, wie sehr einen die gemeinsamen Aufgaben zusammenbringen und wie sehr man sich verbunden ist. Verbringt man doch viel Zeit auf relativ engem Raum miteinander und man muss sich auf seine Nebenmänner verlassen können. Geht es dabei doch auch um die eigene Sicherheit und die seiner Kameraden.

Es wird noch so einziges zu lernen sein, aber das Wichtigste hatte ich gelernt: Kameradschaft und gerade stehen.

Vollkommen erschöpft erreichten wir dann auch Berlin.

Trompelamort



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