Belfort 2013

Der Bericht des Grenadiers la Cravate:

Am Freitag traf Sergent Sans-Souci bei mir pünktlich wie noch nie ein. Und kurz darauf ging es mit unserem Grenadier Le Joueur, der auch nicht lange auf sich warten ließ, auf nach Belfort. Endlich mal etwas wie ein Heimspiel.

Nach vielleich 1½ Stunden waren wir vor Ort. In wenigen Minuten war unser "Lager" aufgebaut. Wir schlenderten noch ein bisschen durch die Festung und dann ging es den Festungsberg hinab in den hübschen Ort Belfort.

Belfort ist eine alte Festungsstadt, dessen Befestigungsring auch wirklich überwiegend noch erhalten ist und ein damals kleines Städtchen einschließt. Die Aussicht von der Festung auf die hügelige Landschaft und die Stadt mit der kleinen Kathedrale St. Christophe ist herrlich. Es gibt eine Menge Cafés und Restaurants. Ich hatte eine Wette mit unserem Sergent. Sollte es in einer Kneipe Kronenbourg geben und kein 1664 musste er die erste Runde zahlen, verhielt es sich umgekehrt, war ich an der Reihe.

Direkt beim Rathaus und der Kathedrale gegenüber fanden wir auch ein gemütliches Café. Hier lernten wir Bier "rouge", "blanc" und "blonde" kennen. Schon das blonde ist recht süßlich, die anderen sind aber eher sirupartig, noch viel süßer als in Deutschland das Radler. Jedenfalls stieß bald ein Füsilier des 1er de ligne, Le Mirliton (französicgh für Flügelmütze oder eine Art von Flöte) zu uns, der aus dem Artois stammt, aber recht gut Deutsch sprach.

Sans-Souci erklärte uns, dass wir uns irrten, wenn wir glaubten, wir hätten uns heute Mittag Uniformen der 22e demi-brigade de ligne angezogen. Stattdessen seien wir in Wahrheit die 22. Kohorte der Nationalgarde. Da Le Joueur und ich vom französischen Bier nicht genug kriegen konnten, gingen wir am Abend nochmal in die Stadt, wo die örtliche Jugend ihre ganze Begeisterung über unser Draufgängertum und unsere Tapferkeit bezeigte. Eine Gruppe vielleicht einmal straffällig gewesener Jugendlicher, denn sie hatten geschorene Köpfe, wollte gleich mal unsere Hüte ausprobieren, um einen Eindruck zu bekommen wie es ist unter der Fahne der Freiheit in der 22e demi – ähm 22. Kohorte – zu dienen. Wie oft wurde mir nicht, da ich noch ein ganz kleiner Grenadier war, von begeisterten jungen Frauen vorgegaukelt, die in Italien nur darauf warteten, uns entgegen zu jubeln? Und endlich, in Frankreich war es so weit! Einige einheimische Mädels riefen uns nicht nur aufmunternde Worte, sondern sogar auf Deutsch "Ich liebe Dich." zu ...

Am nächsten Morgen mussten wir antreten. Endlich habe ich etwas gelernt. Nicht durch die Soldaten-, nicht durch die Peletonschule, nein durch das wahre Leben! Man muss seinen Sergent schlafen lassen. Aufwecken können ihn andere. Beispielsweise ein westfälischer Landwehrmann mit einem Horn. Jedenfalls gab es, nachdem wir noch recht lang geschlummert hatten, ein leckeres Petit Déjeuner, das uns unsere beiden Kameraden, Mirliton und La Breole vom 1er de ligne aus Rührei, Speck, Zwiebeln, viel Salz und Weißwein fabriziert hatten.

Später mussten wir in der sengenden Hitze eine Ansprache vom Capitaine Schnaps hören, der nochmal erklärte, worum es ging. Primär sollten einige Rekruten für den Feldzug in Deutschland ausgebildet werden. Unser Sergent, als der Fachkundigste anwesende Unteroffizier, durfte das Exerzieren leiten. Aus irgendeinem Grund hatte es auch den alten Marschall Lefebvre nach Belfort verschlagen, der aber scheinbar von der Imposanz des Capitaine Schnaps so eingeschüchtert war, dass es eher so ausschaute, als ließe er sich von dem Capitaine rumkommandieren statt umgekehrt.

Nun begann der nützlichste Teil der Veranstaltung. Sans-Souci teilte die anwesenden Soldaten in kleinere Gruppen auf, die jeweils von einem erfahrenen Soldaten exerziert wurden. Warum das Los auf mich fiel, dass ich ebenfalls als Instruktor fungieren sollte, kann ich mir bis heute nicht erklären. Jedenfalls funktionierte es ganz gut. Wir exerzierten primär in den Tunneln, durch welche man von der Stadt bzw. einem unteren Teil der Festung hinauf in den inneren Teil der Festungs gelangt.

Besonderen Wert legte ich auf die Gewehrpyramide, die Inspection des Armes (zu recht, wie sich herausstellen sollte) und die Wendungen auf der Stelle. Leider war im Grunde noch viel zu tun, als wir zum Essen gingen. Danach hätte man mit dem Ladedrill beginnen müssen, aber stattdessen mussten alle zusammen auf der Festung hin und her marschieren, und bei einer Vorführung des Feuerns zeigte sich, dass bis auf wenige keiner das Laden oder dergleichen nach Reglement beherrschte. Der Capitaine Schnaps zeigte sich dann auch einigermaßen ungehalten, ließ sich aber davon besänftigen, daß Marschall Lefebvre, der später dazu kam, irgendwie gut gelaunt war. Vielleicht amüsierte sich der Maeschall auch mit seiner Eskorte von Reitern - also vier Kavalleristen, zwei Husarenoffiziere aus zwei verschiedenen Regimentern, ein Offizier der schweren Kavallerie mit dazu gehörigem Trompeter, alle immer ohne Pferde durch die Gänge der Festung mit ihren Säbeln scheppernd.

Ein Gutes hatte es, dass Capitaine Schnaps laufend zu etwas, was er Revue nannte, das Gewehr präsentieren ließ: zumindest die Haltung beim "Présentez armes!" merkten sich die Soldaten. Nachdem einiges Präsentieren und hin und her marschieren vorüber war, entschloss ich mich zusammen mit Le Joueur, den restlichen Teil des Tages mit dem Reinigen unserer Musketen zu verbringen, was Le Joueur mal wieder natürlich 100mal gewissenhafter als ich verrichtete. Immerhin konnten wir mit unserem Beispiel unsere Kameraden vom 1er régiment anstecken und Mirliton war ein gelehriger Schüler und ließ sich zeigen, wie man authentisch eine Muskete putzt. Überhaupt sind die Füsiliere vom 1er régiment ganz ähnlich wie wir. Sie schliefen mit uns draußen, aßen mit uns aus der Gamelle, rauchen authentische Pfeife und tragen ihre ganze Ausrüstung am Mann. Wir verstanden uns prächtig.

Eine Weile verbrachten wir am Abend beim Lagerfeuer. Dann aber beschlossen Le Joueur und ich, daß es nicht schlimmer ist, als sich die anderen Gruppen auf Bierbänken anzuschauen, wenn man in die Stadt einfällt und statt über den Tag aufgewärmten Wein, dort kühles Bier trinkt. Und so waren wir wieder zu viert, der Sergent, Mirliton und wir zwei Rädelsführer der Gute-Laune-Politik. Wir kamen wieder in dasselbe Café wie am Vorabend. Hier konnte ich Le Joueur eine letzte Lektion in "typisch Französisch" geben, nämlich wie in Frankreich Toiletten in Kneipen ausschauen. Wie das Bier schmeckt hatten wir ja rasch begriffen, als wir so ziemlich alle Sorten der süßen Gebräue durchprobiert hatten, wozu uns nicht wenig begünstigte, dass ein ganz begeisterter Einwohner von Belfort, der Le Joueur für den Abend auf Deutsch, soweit er konnte, unterhielt, ein paar Runden spendierte.

Während unser Sergent mit geschlossenen Augen unseren Gesang bewunderte, wurde es zusehends spät. Das heißt, es wurde so spät, daß die Tore der Festung verschlossen waren, als wir zurück wollten. So warfen wir uns kurzum vor einem der Tore ins Gras.

Ein oder zwei Stunden später erwachte ich unwillkürlich, wie von Geisterhand war das große Tor vor uns geöffnet worden. Aus irgendeinem Grund, den uns Le Joueur später nichtmehr glaubhaft vermitteln konnte, warf er sich vor das Tor und schien abrupt einzuschlafen. Nun, wir gingen ganz richtig in der Annahme, dass er später unseren Lagerplatz einem gepflasterten Toreingang als Schlafstätte vorziehen würde. Wieder an unserem Lager schlief ich wieder 2 Stunden, dann gab es ein weiteres Mal als Frühstück das Rührei, wobei da irgendwie zuviel Weißwein dran gekommen war. Dennoch gut gelaunt legte ich mich wieder hin und ein starker Regen weckte mich kurz danach wiederum auf.

Wir brachten alles in Sicherheit und wir beiden von der 22e cohorte suchten verzweifelt unseren Sergent, der plötzlich verschwunden war. Wir fanden ihn dann aber, rasch durch den Starkregen laufend, im Kommandantenhaus, das er uns sachkundig zeigte.

Auf einer von Capitaine Schnaps geleiteten Besichtigungstour unter Waffen, woran alle Truppen teilnahmen und wieder das vom Capitaine so innig geliebte "Présentez" nicht zu kurz kam, führte unser Sergent zu Füßen des berühmten Löwen von Belfort eine Inspection des Armes durch. Viele Musketen waren gar nicht gereinigt worden, wobei der Sergent ausdrücklich den Vorbildcharakter der Garde herausstrich, der sich aber nicht im Umgang mit ihren Musketen widerspiegelte. Immerhin lernte dadurch Mirliton, dass man seinen Lauf auch von außen einölen muss, denn der Regen vom Morgen hatte diesem ziemlich zugesetzt.

Gegen 1 Uhr am Mittag verabschiedeten wir uns von unseren Kameraden vor allem vom 1er de ligne und machten uns auf die Heimreise.

Insgesamt eine Veranstaltung die weniger durch das Programm, als durch die Schönheit der Lage der Festung und der guten Stimmung unter uns mir wirklich angenehm in Erinnerung bleiben wird. Dankbarerweise hatte Sans-Souci am Samstag in den kühleren Tunneln exerzieren lassen und wir haben immer zielsicher im Schatten gelagert, was bei der großen Hitze schon sehr wichtig war.

Grenadier La Cravate



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