Kommern 2006

Der Rapport des Grenadiers Copain:

Kurzfristig den Auftrag erhalten, für die körperliche Unversehrtheit des Capitaine Sans-Souci als Leibwächter zu sorgen. Dieser sollte an der Kriegsakademie in Kommern teilnehmen.

Nach fünfstündiger Fahrt, vorbei an dem Ort Satzvey, wo es dieses Mittelalterschauspiel gibt, in Mechelen angelangt. Dort eine Karte der Umgebung gefunden, auf der auch Kommern eingezeichnet war.

Losgegangen, nach einiger Zeit eine Frau getroffen, die Brennesseln sammelt, was mich stark an eine alte Liebe erinnerte - nur war diese Frau bestimmt keine Hexe - und nach dem Weg gefragt. Bin ich in die falsche Richtung gelaufen.

Wohlhabendes Viertel, geht eine Tür auf und lässt so eine Alte ihre zwei Hunde auf mich los. Freu ich mich natürlich, meinen neuen Säbel einzuweihen, nein lieber nicht, drohe ich also nur. Komische Leute hier.

Weitergelaufen. Wieder gefragt. Die historische Fachwerkstrasse in Kommern gesehen. Alles schöne bunte Bürgerhäuser, brennen bestimmt auch gut. Gehe auf einer Landstrasse, leichter Nieselregen, am Wegesrand Pflaumen und Mirabellenbäume, hm lecker.

Schlage mich irgendwann in die Büsche um mein verräterisches Zivil loszuwerden, und Copain feiert seine Auferstehung.

Komme ich an eine Schranke, auf einem Schild steht: Durchziehende Truppen in der Wachstube melden! oder moderner ausgedrückt, Reenactors bitte in der Leitwarte melden. Das tue ich als vorbildlicher Grenadier umgehend und muss mir anhören: Sie können doch durchgehen, die Schranke ist offen. Das Sprichwort sagt ja, wer lesen kann ist klar im Vorteil, nur hier frage ich mich, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn ich Analphabet geblieben wäre. Auch kann man sich in diesem Moment trefflich über die Errungenschaften der Revolution streiten, die Leuten wie mir das Lesen und Schreiben lernen ermöglichte.

Weiter ging es frohgemut durch schöne Wälder bis zum Ort Rhinchenschmidthausen, dem Ende meiner Wanderung. Ich sah ein grösseres Haus, das Dach Reetgedeckt, aus diesem Rauch drang. (Wie ich später feststellte, hatte dieses Haus keinen Schornstein, der Rauch zog von der offenen Feuerstelle über den Zwischenboden durch das Dach nach aussen.) Wollte dorthin gehen, aber im letzten Moment bin ich zu mehreren Bauernhäusern, wo Leute davor sassen. Zuvor noch durch die Zollschranke, welche nicht besetzt war. Aber was hätte ich auch verzollen sollen?

Die Leute nach dem Herrn Capitaine gefragt, welche mir den Weg zu einem etwas abseits stehendem Haus wiesen. Das war natürlich, wie hätte es anders sein sollen, das wo ich zuerst hin wollte. Aber Umwege führen auch ans Ziel.

Dort angelangt erblickte ich auch schon den Herrn Capitaine und einen neuen Rekruten - Alexandre. Ich konnte es kaum glauben, als Diener Bertha. Ich erfuhr, daß Mathieu, den ich schon zwei Jahre nicht mehr gesehen hatte, nicht da war und auch Du Jard schon weitergezogen ist.

Nach dem freudigen Hallo sagen, war es dringend geboten, ein Nachtquartier zu besorgen. Mit Alexandre los und wir standen bei dem uns zugewiesenem Haus vor verschlossenen Türen. Der Bauer erzählte irgendwas von Einquartierungsschein und solchen Dingen, aber wir wollten eigentlich nur pennen und hatten auch keine Lust auf lange Diskussionen. Weil wir auch keine meinungsverstärkenden Gerätschaften bei uns hatten, suchten wir uns ein anderes Quartier. Es gab ja genug andere arme Leute, die sich etwas dazuverdienen wollten. Wir fanden auch eine nette Wirtin die uns bei sich aufnahm, und durften im Stall auf würzig duftendem Heu übernachten. Einquartiert zu sein ist gegenüber dem auf der Erde schlafen im Feldzug ein wahrer Luxus.

Der Abend ging zuende in geselliger Runde. Das einzige, was störte, war die unterschwellige Geringschätzung des Französischen. Wir versuchten, mit unseren Liedern dagegen zu halten, was aber wegen fehlender Masse aussichtslos war.

Besonders zu erwähnen die Beleuchtung der Wirtschaft mit Kerzen und Öllampen, die ein recht brauchbares Licht ergab.

Es wurde Schlafenszeit und der Herr Capitaine nicht da, also gingen wir schon mal zur Schlafstelle. Und wer liegt dort mitten auf dem Boden? Nachdem dem Capitaine erklärt wurde, daß auch für ihn ein Platz auf dem Heu da ist, begab man sich zur Nacht.

Dunkel war es. Nicht so einfach, wenn sich da nachts ein Bedürfnis meldet, oder zweimal. Mit Orientierungs und Tastsinn zur Tür gefunden, aber wie geht die auf? Und was ist das, ein Feuerlöscher?! Lustiges Ratespiel. Die Tür ging auf, das Bedürfnis war erledigt, und die Nacht verlief etwas kühl, aber ansonsten ohne Probleme.

Am Samstag Morgen gutes Essen, aber immer etwas später. Der Herr Capitaine ging zu seinen Vorträgen, von denen einige interessant und andere weniger interessant waren.

Da Kommern ein grosses Freilandmuseum ist, sollte man auch etwas davon ansehen, und genau das tat Copain.

Spaziere also vor mich hin, geniesse die frische Luft und Ruhe, lerne interessante Scheunen und Häuserbauweisen kennen. Komme da an diese Mühle, bestaune die Technik und höre Trommelschläge. Die Trommel kommt näher und ich erblicke eine Horde Landwehrmänner.

Überlege ob es ratsam ist, sich in die Büsche zu schlagen, aber Frühsport fällt heute aus. Und so werde ich gefragt, ob ich mich ausweisen könne. Kann ich natürlich nicht. Und so wird mir denn nahegelegt ein Ausweispapier zu besorgen. Die Kontrolle geht vorbei und ich spaziere weiter. Auf dem Weg eine Tafel mit drei Dingen, die es im Bergischem Land, in dem ich mich dieser Tage befinde, nicht gibt. Zwei habe ich schon wieder vergessen, nur das Dritte hat sich mir tief eingeprägt: wörtlich - Spaziergänger. Das erklärt natürlich alles!

Im Dorf zurück, ist auch die 22er Kanone schon angekommen. Alexandre trägt sich mit dem Gedanken, bei der Artillerie anzufangen, und wird deshalb an der Kanone mit angestellt.

Nachmittags erscheint in strahlendem Licht die Leibschneiderin der 22er - Bettina. Zumindest schauen Sans-Souci und ich so. Oder lag es an ihren eloquenten Ausführungen zum Thema Stoffe?

Auch an diesem Abend wieder Gesang in geselliger Runde mit illustren Personen.

Und da gab es noch dieses Bild an der Wand im Schankraum, aber das muss Sans-Souci berichten.

Die Nacht war wärmer als am Vortag.

Sonntagmorgen nach reichlichem, aber spätem Frühstück wieder Vorträge. Alexandre und ich nutzten die Zeit zum Gewehrexerzieren.

Zum Mittag durften die Herren Offiziere als praktische Übung an der Kanone hantieren. Auch eindrucksvoll, wenn die Kanone statt von der Mannschaft von zwei Arbeitspferden gezogen wird.

Gegen Nachmittag dann das allgemeine Vernichten aller essbaren Vorräte.

Und zum Schluss wieder was Lustiges, die besten Sprüche: echtes Feuer, echtes Essen, nein das sind keine Puppen, das sind richtige Menschen, und das sind Amerikaner.

Grenadier Copain,
der wohlbehalten wieder zu Hause angekommen ist.

Und na gut, hier also die Ergänzung, welche Bewandnis es mit dem Bild an der Wand im Schankraum auf sich hat:

In der guten Stube im Kommerner Wirtshaus hing an der Wand ein Portrait des alten Fritzen.

Aus Gründen des politischen Proporzes hielten wir es für angebracht, daß auch ein Angehöriger der französischen Regierung dort vertreten sein sollte. Da außer uns alle Bewohner des Dorfes preußisch und sogar antifranzösisch gesinnt waren, mußte die Anbringung des französischen Portraits heimlich geschehen. Den ganzen Tag über hielten sich aber Dörfler in der Stube auf und fraßen oder soffen. Außerdem war selbst bei den einheimischen Trödlern nirgens ein passendes Bild aufzutreiben.

Improvisation (unsere Stärke) war also gefragt.

Zunächst skizzierten wir rasch auf einem Blatt Papier mit einem Bleistift ein Portrait des Ersten Konsuls (erkennbar an der Hand in der Weste und dem großen Hut).

Zwei Grenadiere wurden daraufhin mit dem Bild vorgeschickt, um es in einem unbeobachteten Moment an der Wand zu befestigen. Das erwies sich aber als äußerst schwierig, da sie beide ständig mißtrauisch beäugt wurden.

Um die Dörfler abzulenken, stellet sich daraufhin einer von uns in den Türrahmen, hielt eine kurze Ansprache aus dem Stegreif über das Wetter, das Angenehme des menschlichen Daseins und ähnliche Belanglosigkeiten, und begann dann ein Lied zu singen. Während alle an den Lippen des Sängers hingen (oder ihn zumindest verdutzt anstarrten), nutzte der Grenadier Copain die Gelegenheit, unbemerkt unseren Ersten Konsul neben den preußischen Despoten zu plazieren.

Wie erwartet, ist den tumben Dörflern bis zu unserem Abmarsch am Sonntag nicht aufgefallen, daß ihre Monarchengalerie an der Wand Zuwachs bekommen hatte.



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