Paris 2004 – wie wir unseren Adler bekamen.

Pour nous!
Überreicht von unserem Lieblingsgeneral

Seit der Adlerverleihung in Paris und unserem Aufenthalt dort vom 3. bis 5. Dezember 2004 sind viele Jahre verstrichen, so daß die Zeit endlich reif dafür ist, auch in der Öffentlichkeit ein objektives Bild der Ereignisse zu zeichnen. Mehrere Grenadiere unserer Kompanie haben daran teilgenommen, und die Veranstaltung in ihren Berichten auf Grenadiersart ungeschminkt und schonungslos geschildert.

Doch zunächst hier unser vorbereitender Regimentsbefehl zu Auftreten und Anzug:

Grenadiere,

Paris gibt uns den Anlaß, uns einmal richtig herauszuputzen, um unserem Divisonsgeneral Roda keine Schande zu machen. Niemand wird nach Paris mehr behaupten können, wir sähen so schlunzig aus, weil wir nicht wüßten, wie ein Soldat seine Ausrüstung reinigt.

Die Anzugsordnung zur Verleihung der Adler wird "grande tenue" (der große Anzug) genannt. Das bedeutet im Idealfall im einzelnen:

– Jeder Soldat hat sich Gesicht und Hände gewaschen, ist frisch rasiert (Schnurrbart und Koteletten bleiben stehen) und den 8 Zoll (21,6 cm) langen Zopf über eine Länge von 7 Zoll (knapp 19 cm) fest umwickelt.

– Jeder achtet auf seine militärische Körperhaltung: aufrecht, den Bauch leicht eingezogen, die Schultern etwas nach hinten gezogen, den Blick niemals auf den Boden direkt vor sich, erst recht nicht beim Marschieren auf die Füße des Vordermannes !

– Der Hut ist gut ausgebürstet, über heißem Wasserdampf (z.B. kochendem Wasser im Kessel) wieder in Form gebracht, und die gelbe Litze und die Kokarde gereinigt (mit Seife ausgewaschen), so daß sie wieder glänzen.

– Die beste weiße Halsbinde, die ihr habt, wird getragen, sie ist fest um den Hals gebunden.

– Die weiße Weste ist nachgeweißt (mit Pfeifenton, der angefeuchtet aufgetragen und dann, wenn er getrocknet ist, wieder ausgebürstet wurde), die Messingknöpfe glänzend poliert.

– Die weiße Culotte ist ebenso nachgeweißt.

– Der Uniformrock ist gut ausgeklopft, so daß keine Fusseln mehr auf ihm zu entdecken sind, geschweige denn Schmutzflecken. Die weißen Rabatten sind ebenso nachgeweißt wie Weste und Culotte. Alle Uniformröcke haben Epauletten.

– Da Winter ist, werden die schwarzen Tuchgamaschen getragen, die bis übers Knie reichen.

– Die Schuhe sind gewachst und von jedem Schmutz befreit. Kein einziger Schuhnagel fehlt.

– Das Patronentaschenbandelier ist frisch geweißt, die Oberseite der Patronentasche ist frisch und so sorgfältig gewachst, daß man sich darin spiegeln kann.

– Das Säbelbandelier ist ebenfalls frisch geweißt.

– Der Tornister ist ausgebürstet und gut gefüllt, so daß er weder in sich zusammenfällt noch irgendein Stück des Inhalts von außen zu sehen ist. Das sämische Leder frisch geweißt.

– Alle Eisen- und Meßingteile der Muskete und des Säbels glänzen, kein Fleckchen Rost oder Schmutz ist zu entdecken.

Jeder Grenadier, der nach Paris mitkommt, sollte also folgendes mitbringen (und sich notfalls von den Grenadieren, die das Pech haben, nicht dabeisein zu können, ausleihen):

Hut
weiße Halsbinde
weiße Weste
Uniformrock
Epauletten
Schuhe
Patronentasche
Säbel
Muskete
Tornister

Wer kann, bringt eine weiße Culotte und weiße kniehohe Paradegamaschen (kniehohe schwarze Gamaschen hat ja keiner von uns) mit, ansonsten eben die graubrauen leinene überhose und die grauen Leinengamaschen (alles frisch gewaschen, so daß kein Schmutz mehr zu sehen ist).

Wir werden am Samstagabend in Paris alle gemeinsam unsere Ausrüstung auf Vordermann bringen (authentisches Reinigungsmaterial bringe ich mit), je mehr wir vor dem Wochenende schon gemacht haben, umso eher können wir dann anschließend in die Stadt ausgehen.

Um die Patronentaschen zu wachsen, habe ich noch Wachs hier, den ich nach Austerlitz mitbringen könnte.

Haben wir einigermaßen einheitlich aussehende Stutze ? Wir bräuchten mindestens 6 gleichartige Stück, damit das erste Glied gut aussieht.

Freu mich schon auf eine 22e, die alle überraschen wird,

Sans-Souci, sergent

Und so sahen wir dann aus:

In Grande Tenue vor den Invaliden

Im folgenden nun die Berichte der Grenadiere:

Sollte es wahr sein?

Als ich vor 20 Jahren das erste Mal in Paris war, wünschte ich mir nichts mehr, als auch einmal in einer solchen Uniform, wie sie im Museum im Invalidendom ausgestellt waren, durch Paris zu stolzieren ... die Erfüllung meines Kindheitstraumes rückte von Tag zu Tag immer näher ... schon zwei Wochen vorher fing ich an, meine Uniform auf Vordermann zu bringen, Knöpfe und Säbel polieren, Lederzeug weißen etc. etc. Nach vielen Irrungen und Wirrungen konnte auch der Transport geklärt werden! Nun stand der Sache nichts mehr im Wege. In Anbetracht des knappen Soldes beschlossen wir, anstatt Eulen nach Athen lieber Sekt nach Paris zu tragen ... beim Gedanken an den Genuß desselben stellten sich bei mir schon unglaubliche Kopfschmerzen ein ... die sich erst im Café Kleber wieder in Wohlgefallen auflösten.

Nach langer Vorfreude verging die Fahrt bei hitzigen Diskussionen über die zu favorisierende Fußballmannschaft (Roter Stern oder Gelber Stern) wie im Fluge! Das genaue Auffinden unseres Quartiers nahm dagegen etwas mehr Zeit in Anspruch. Wenn wir gewußt hätten, welcher Art das Quartier war, wären wir wahrscheinlich lieber weiter im Kreisverkehr gefahren.

Endlich dort angekommen, stellten wir mit einem ungläubigen Erschrecken fest, daß wir in einer zum Teil noch bespielten Turnhalle untergebracht werden sollten. Bis sich der Schrecken gelegt hatte, war sie auch schon ganz frei ... und wir zogen durch einen Schwall von Schweiß-Haschisch-Exkrementen- und Parfümluft durch den Gang in die Halle!

Dort sah es aus wie auf einem Hauptverbandplatz in Berlin 45 (ca. 300 Männer/Frauen/Kinder und unzuordenbare Figuren mit Sack und Pack lagerten auf dem Boden)! Die Geräuschkulisse war ähnlich ... und die Stimmung nahe dran! Nach dem Umziehen war es dann schon etwas besser ... dafür noch kälter. Also schnell betrinken und schlafen gehen, wie schon so oft geübt.

Nach einem erbitterten Kampf um die Lichtverhältnisse kehrte dann allmählich Ruhe ein ... nur ein paar unentwegte 22er hielten dem Schnarchen stand.

Auch ein Ex-Grenadier machte von sich reden: bevor wir darüber den schon oft bemühten Mantel des Schweigens decken, sei nur gesagt: Alkohol – zwei Toiletten – explosionsartige Entleerung – alle Körperöffnungen – nackt und zu guter letzt: Badelatschen! Aber genug davon!

Am nächsten Morgen wurde zum großen Leidwesen aller Beteiligten gegen 6.30 geweckt. Nachdem Berger und ich uns eine Weile gegenseitig des Schnarchens bezichtigten, erfuhren wir, daß es schon bald zum Antreten vor die Halle gehen sollte. So wirklich erschreckte das dann aber doch keinen, denn die Klimaanlage der Halle funktionierte außerordentlich gut, so daß zwischen Innen und Außen kein erheblicher Unterschied war.

Das Frühstück bestand aus alten Beständen der Verpflegung von Austerlitz, und Tee. Na ja, was soll's, dann wird halt aus dem Kindheitstraum ein Erwachsenentrauma. Schnell noch die Sachen auf Vordermann bringen und antreten.

Draußen standen wir ne Weile in der Gegend rum, um dann ne Weile in Formation in der Gegend rumzustehen. Danach ging es Richtung Paris! Da wir mit unserem eigenen Neunsitzerkleinbus fuhren, war es uns ein leichtes, uns alle zwölf im Auto zu verstauen und auf einen Kaffee spekulierend loszufahren. In einem Vorort von Paris hielten wir an, um ein Café aufzusuchen. Beim Ausbooten aus unserem Transporter stießen wir auf eine nette Einheimische, die uns nach kurzer Unterhaltung zu sich nach Hause einlud. Es gab Kaffee und Croissants und nettes Geplauder. Nur ein kurzes Zwischenspiel mit einem erbosten Werkstattbesitzer und einer zugeparkten Einfahrt unterbrach die Idylle. Nachdem wir eine Baustelle verschoben und auf dem dadurch freigewordenen Platz geparkt hatten, war alles wieder in Ordnung ... fast alles. In einem plötzlichen Energieschub richtete ich mich übereilig auf und stieß mit unseren Sergenten zusammen, so daß sich der Kaffee auf seiner neuen Weste und der Culotte verteilte! Ich sah mich schon beim Strafexerzieren ... aber Dank unserer netten Gastgeber konnten wir das Problem beheben.

Nun war es aber doch Zeit, zur Generalprobe vor dem Invalidendom aufzubrechen. Nach kurzer Fahrt durften wir dann sogar direkt am Veranstaltungsort parken, was wir unserem vom Glück auserwählten Sergenten zu verdanken haben. Ein letztes überprüfen der Ausrüstung und los ging's.

Wir marschierten auf den Platz vor dem Dom und standen mal wieder mehr oder weniger sinnentleert herum, exerzierten ein wenig und standen weiter rum. Dann war alles vorbei und wir rasteten im Hof neben einem Café.

Es war sehr kalt, als plötzlich das Gerücht, unser General Roda wäre im Café, wie ein Lauffeuer die Runde machte, schnell schaute ein jeder durch die Scheiben, und tatsächlich, da war er, schon wurde uns etwas wärmer ums Herz. Er mußte uns wohl erblickt haben, denn wenige Momente später kamen zwei Tablettes mit belegten Baguettes für uns! Ob es aus Mitleid oder nur aus Freundlichkeit geschah, werden wir wohl nie erfahren! Nach dieser Stärkung gab es auch noch Kaffee ... und ein erneutes Antreten. Dieses bestand wieder mal aus rumstehen ... danach wurde uns mitgeteilt, daß wir nun ins Armeemuseum gehen durften. Die Zeit dort war natürlich viel zu kurz, aber trotzdem war es mal wieder sehenswert.

Nachdem wir aus dem Museum gefegt wurden, machten sich alle bereit, die Stadt zu erkunden ... Wir schlenderten in loser Ordnung Richtung Eiffelturm.

Auf dem dortigen Weihnachtsmarkt desabrierten wir mal wieder öffentlichkeitswirksam eine Sektflasche! Wenn wir für jedes Bild, das in Paris von uns geschossen wurde, einen Euro bekommen würden ... ja dann könnten wir uns eine Leibwache leisten, die uns vor den asiatischen Fototerroristen beschützte.

Als wir den Eiffelturm genug bewundert hatten, ging es über die Seine zum Kinomuseum. Auf der Plattform über Paris angekommen, beschloßen wir, ein Café aufzusuchen, um uns wieder zu erwärmen, da unser General nicht in der Nähe war, in dessen Schatten dies auch funktioniert hätte. Wir suchten das Café Kleber auf und gaben unsere Bestellung ab. Beim Anblick der Rechnung lief es uns dann schon wieder eiskalt den Rücken herunter und das Aufwärmen war umsonst (aber der Cognac war aber auch lecker und belebend).

Es war Zeit zur Rückkehr ins Nachtquartier, da dort angeblich um 23.00 die Pforten geschlossen wurden. Auf dem Marsch zurück übten wir auf einem glatten Steinboden Schlittschuhlaufen und verhandelten mit Straßenverkäufern über den Preis von Souvenirs. Auf der Brücke über die Seine ging dank unserer Dragonette ein weiterer Traum meinerseits in Erfüllung ... ich durfte, in Uniform, mit einer hübschen Frau eingehängt die Seine überqueren!

Auf der anderen Seite war dann ein riesiges Feuerwehr/Polizei/Militäraufgebot damit beschäftigt, die Straßen und Plätze rund um den Eiffelturm zu sperren ... wahrscheinlich hatte unser weggesäbelter Sektflaschenhals Terrorarlarm ausgelöst!?!

Beim Auto angekommen, schichteten wir uns wieder in den Innenraum und fuhren guter Dinge los. Weit kamen wir allerdings nicht, es war ein unwahrscheinlicher Verkehrsstau in der Innenstadt. Dank des beherzten Draufzufahrens unseres Grenadiers Robert ging es aber trotzdem alles glatt. Außerhalb von Paris fuhren wir wieder mal ne Weile im Kreisverkehr ... was vermutlich der Tatsache geschuldet war, das wir alle unterbewußt Angst vor einer weiteren Nacht in der Kühlhalle hatten.

Dort, natürlich zu spät, angekommen, fanden wir die Tore trotzdem noch geöffnet vor und mußten uns wieder mal schnell betrinken und schlafen ...

In dieser Nacht packte ich den Grenadier Berger erst aus seiner und dann uns beide in unsere Decken, um die Kälte zu überstehen ... nicht gerade ästhetisch aber effektiv! Morgens dann wieder frühes aufstehen um 6.30 und völlig konfuses Abbrechen unserer nicht vorhandenen Zelte. Dann wieder die Fahrt nach Paris und diesmal kein Parken vorm Invalidendom ... da war schon alles besetzt. In die Tiefgarage vor Ort konnten nur die beiden PKWs einfahren. Unser Minibus war zu hoch ... also parkten wir eben im absoluten Halteverbot eines Amtes oder dergleichen.

Als wir uns wieder gefunden hatten, marschierten wir der sich schon im Marsch befindlichen Parade entgegen. Unterwegs mußten wir uns wieder und wieder gegen uns wie Kosaken die Franzosen an der Beresina umschwärmende Japaner erwehren.

Endlich trafen wir die Parade und reihten uns ein. Das war dann doch sehr erhebend, mit klingendem Spiel durch die Straßen zu ziehen. Es gab eine kurze Pause von fünf Minuten, die unser Sergent zusammen mit anderen dazu nutzte, mal eben schnell das Palais Royal zu besuchen, was wiederum bei den Italienern nebenan Verwirrung hervorrief, da sie befürchteten, er würde nicht wieder kommen. Doch so schnell er weg war, kam er auch schon wieder, und es konnte weitergehen.

Endlich kamen wir beim Dom an und zogen dort ein. Nachdem ich während einer kurzen Pause von meinem Sergenten gesagt bekam, das ich keinem Hindernis ausweichen solle, das schwächer sei als ein Grenadier (z.B. Laternenpfahl etc.), paradierte ich über eine sichtlich erboste Kamerafrau hinweg. Das brachte mich etwas aus den Gleichgewicht ... aber bis wir dann zur Parade bereit standen, hatte ich mich wieder gefangen.

Die Szenerie die sich uns darbot, hatte nach übereinstimmender Meinung aller 22er etwas Monty Pythonhaftes, als es zur Verleihungszeremonie kam, gingen die Kommandeure (manchmal auch gleich die Adlerträger) nach vorne und empfingen den Adler aus den Händen des jeweiligen Generals ihrer Wahl ... welcher das bei uns war, ist ja wohl keine Frage. Davon konnte ich leider nichts sehen, da ich ganz hinten stand, ein anderer Grenadier wird sicher davon und von allen anderen Dingen, die ich vergessen bzw. nicht mitbekommen habe, berichten.

Nach der Verleihung marschierten die Truppen hinter den gesammelten Adler- und Würdenträgern in den Dom. Dort wurde der Schwur verlesen und von (fast) allen Truppen bestätigt, während die Adler sich über den Sarkophag von Napoleon senkten. Auch wenn ich kein Kaiserlicher bin, war das dann doch sehr erhebend.

Draußen bekam ich dann von unserem Sergenten den Adler übereicht und mußte gleich zur Adlersammelstelle in der Mitte des Platzes abmarschieren, während die restlichen 22er noch mit der Diskussion Plastik oder nicht Plastik beschäftigt waren. Dort bekamen wir Adlerträger nach allgemeiner Verbrüderung in einer Mischung aus Tschechisch/Französisch/Englisch etwas über die Fahnen erzählt ... viel habe ich nicht verstanden. Wir werden das dann in einer Adlerpflegeanleitungsmail noch genauer erfahren. Dann wurde noch von jedem Adler mitsamt seinem Träger ein Bild gemacht ... und alles war vorbei.

Zurück zum Auto und umziehen für die Nachhausefahrt. Anstatt mich umzuziehen, begab ich mich noch schnell in eine nicht weit entfernte Kirche, um der Stifterin unserer Sektflaschen ein Dankeschön auszusprechen. Danach noch ein kurzer Zwischenstopp, um Postkarten etc. für die Zurückgebliebenen zu besorgen, und ab auf die Autobahn, kurzer Zwischenstopp an einer Raststätte, um die wohl komplexeste Kopfrechenaufgabe meines Lebens mit zu lösen. Weiterfahrt und Verabschiedung unserer Ostesquade kurz vor der deutschen Grenze. Dann endlich spät in der Nacht Ankunft in Ka ... und ausladen der übrig gebliebenen Sachen bei mir.

Dazu muß ich sagen, daß es bei unserer eigentlich doch echt klasse Truppe anscheinend einige Elemente gibt, die auf der Müllkippe wohnen: Wenn ich was esse oder trinke etc., entsorge ich die Reste im Regelfall zu solchen Anlässen in einer Mülltüte oder dergleichen! Das war bei uns nicht der Fall ... abgesehen von irgendwelchen Kunden, die frisch gewachste Patronentaschen an den Sitzen auf Abriebfestigkeit des Wachses überprüft haben ... Na ja, ich denke, das wird auch noch ... der Mensch im allgemeinen ist ja lernfähig!

Alles in allem kann ich sagen, es war nicht so, wie ich es mir ausgemalt habe, aber trotzdem schön. Schon alleine wieder mal wegen dem Spaß, den man hat, wenn die 22er vereint sind!

S&F

Grenadier Mathieu der Adlerhorst
La pipe chauffe. Marchons. Repos. En marche. Arrêt.
Warten, marschieren, warten, marschieren, warten ...
Leipzig, der 2.12. anno 1804 (oder soll ich 1803 schreiben, da wir in unserer Darstellung stehen geblieben sind???). 14.00 Uhr.

In der Kaserne in der Könneritzstraße 100 wird es langsam unruhig. Caporal Champagne und Citoyen Poisson werden langsam hektisch, da die Zeit des Abmarschs näherrückt.

Wie Esel bepackt geht's Richtung Sammelpunkt Schnorrstraße 13, um Grenadier Delicat sowie eine uns unbekannte, aber nette gutaussehende Wäscherin in die Marschkolonne aufzunehmen.

Den Grenadieren wird durch den Caporal das Marschziel bekannt gegeben: es geht nach Heidelberg, um dort Verpflegung und unseren Sergeanten Sans-Souci aufzunehmen. Nach dortiger Übernachtung vervollständigt sich die Einheit in Karlsruhe-Durlach, Höhe Schlesierstraße. An diesem Orte sollen die Grenadiere Élève, Berger, Mathieu, Robert, Copain und die Wäscherin Dragonette zu uns stoßen.

Der Transport zum ersten Zwischenziel Heidelberg verläuft ohne weitere Probleme. Versorgungsschwierigkeiten treten nicht auf, Hühnchen und weitere alkoholische Leckereien werden ohne Umschweife vernichtet. Alles ist in bester Ordnung.

Heidelberg, 23.00 Uhr (zumindest in der Drehe).

Grenadier Copain "verwechselte" den Sammelpunkt und stößt schon in Heidelberg zu uns, was aber versorgungstechnisch kein Problem darstellt.

Heidelberg, 3.12 anno 1804. 11.30 Uhr.

Wie geplant setzt sich unsere Einheit Richtung Karlsruhe Durlach in Bewegung. Keine besonderen Vorkommnisse, außer daß unser Sergant sowie Copain vor uns da sind, obwohl sie nach uns losgefahren sind. Sans-Souci muß Gott sein! Anders kann ich mir diesen Sachverhalt sonst nicht erklären.

Karlsruhe-Durlach, Schlesierstraße.

Die Grenadiere Élève und Berger warten schon gewisse Zeit mit Verpflegung und Spannung auf uns. Zusammen warten wir dann mit immer stetig wachsender Nervosität auf den Rest unserer Einheit, die leichte Probleme dabei hatten, das Transportgefährt aus der "Kaserne" zu entwenden.

Karlsruhe Durlach Schlesierstraße, 14.00 Uhr oder auch später.

Die schlagkräftigste Einheit hat sich zusammengefunden und belädt den "Pferdewagen". Alle(s) sind bei bester Laune (ist in bester Ordnung). Der Transfer kann beginnen und dauert ca. 6 Stunden. Die Straßen bereiten uns keine weiteren Probleme, nur die Unterbringung zu finden, ist etwas schwierig. Sollten wir in Frankreich verschollen gehen??? Mit Spürsinn und Kenntnissen über den Sternenhimmel führt uns der Göttliche (Sans-Souci) mit verbundenen Augen ans Ziel.

Lassy, 25 km nördlich von Paris, es ist schon dunkel.

Die Unterbringung ist eine Katastrophe und die Moral der Einheit verpuffte wie Schwarzpulver im Feuer. Eine Hälfte der "Kaserne" wurde von verwöhnten Aristokraten mit einem neuartigen Spiel namens Badminton belegt, und uns gegenüber waren sie nicht sehr wohlwollend. Aber nun ja wir sind nicht auf der Welt, um geliebt zu werden.

Irgendwie fühlten wir uns als Einheit auch noch unvollständig, aber wieso nur? Doch dieses Gefühl verschwand, als aus der Masse ein stattlicher Mann wie ein blendender Sonnenstrahl hervortrat, der sich wenige Augenblicke später in den Grenadier Doigt de Fer verwandeln sollte. Doch diese wiederlichen Aristokraten mit ihren royalistischen Gehabe waren immer noch da. Sollten wir sie füsilieren???

Irgendwie müssen sie unsere republikanischen Gedanken gespürt haben und waren auch just eine Stunde nach unserer Ankunft wie von Geisterhand verschwunden. Dies nutzten wir, um unser Lager aufzuschlagen und der Uniform und Ausrüstung den letzten Schliff zu verleihen. Das war ne ganz schöne Sauerei, aber Grenadiere sind nicht zum putzen der Kaserne da. Wo wir auftreten, muß Flurschaden entstehen, und diese Maxime vertraten nicht nur wir.

Wie wir feststellen mußten, kam es in dieser Nacht zu einem Terrorakt, der zwar keine Menschleben forderte, aber die sanitären Anlagen für normale Menschen nicht mehr brauchbar machte. Mutmaßlicher Täter war ein gewißer Étienne "Merde" Égalité. Im Beisein aller alkoholisierte er sich bis Unterkante Schädeldecke und mußte nun die Folgen auf der Herrentoilette vor allen anwesenden (Grenadier Berger) austragen. Berger hat sicherlich einen Schock fürs Leben bekommen und muß mit starken Psychopharmaka in der "Geschlossenen" behandelt werden (wir wünschen gute Besserung).

Doch die Katastrophe und Entleerung hatte erst ihren Lauf genommen. Etwas später in der Nacht wurden die schlimmsten Befürchtungen wahr. Nicht nur, daß Étienne Égalité seine Hose und vielleicht auch Hoden mit "Merde" beglückte, NEIN auch ein unschuldiger republikanischer Badelatsch wurde unter braunen Massen begraben und hingerichtet. Dieses Vorkommnis machte aber nicht nur Herrentoilette und den Damenwaschraum unbrauchbar, der Gang zur "Schlafstube" wurde von giftigen, ätzenden Gasen infiltriert. Die Folgen sind sicherlich von allen abzuschätzen. Weitere Details über den Terrorakt möchte ich hier nicht weiter verbreiten, um ihn auch schnell in Vergeßenheit geraten zu laßen.

Irgendwann legten wir uns zu Bett und mußten mehrmals in der Nacht feststellen, daß dieser Raum sehr ungastlich war. Die klirrende Kälte von -20° C machte uns zu schaffen. Feuerholz war nicht vorhanden, und so bedienten wir uns der Körperwärme unseres Bettnachbarn.

Lassy, 6.30 Uhr.

Wecken, aufrödeln, essen, danach Morgenappell. Nachdem wir uns schick gemacht hatten, traten alle Gruppen vor der Turnhalle an, um von einem Popstargeneral in Augenschein genommen zu werden.

Danach transportierten wir uns selbst nach Paris. Bei einer Pause zur Essenaufnahme spürten wir die ersten Wogen der Liebe, die uns durch die Zivilbevölkerung entgegen schwappten. Eine enthusiastische Republikanerin versorgte uns in ihren Privatgemächern mit sehr teurem und seltenem Kaffee. Um ihr einen Gegenwert anzubieten, beglückten wir sie mit süßem Gebäck sowie einer aufschlußreichen und unterhaltsamen Konversation mit Sans-Souci und Doigt de Fer. Wie durch ein Wunder konnte der Diebstahl unseres Pferdewagens (unser Wagen sollte abgeschleppt werden) durch Mathieu, Robert sowie die Republikanerin verhindert werden. Dies nahmen wir zum Anlaß, alsbald wieder aufzubrechen.

Sammelpunkt dieser morgendlichen Unternehmung war das Musée de l'Armée, wo es uns eigentlich verboten war zu parken, aber es uns (besonders Sans-Souci) unmöglich erschien einzudringen. Mit Muskete, Charme und Bärenfellmütze überzeugte der GÖTTLICHE den Wachposten von der Sinnlosigkeit seines Befehls, uns nicht einzulassen.

Die so gewonnene Zeit (wir hätten umständlich einen Parkplatz suchen müßen) nutzen wir, um zu exerzieren und einen ersten Blick auf unseren Divisionsgeneral zu werfen. Wie immer überstrahlte seine Persönlichkeit alle Anwesenden. Leider konnten wir uns nicht lange an seinem Anblick laben.

Wir wurden zur Probe der am nächsten Tag folgenden Adlerverleihung abkommandiert. Hier langweilten wir uns fast zu Tode. Aber jeder unserer Grenadiere überstand diese hohlsinnige Tortur ohne weitere gesundheitliche Probleme. Trotzdem mußten wir einen so erbärmlichen Eindruck hinterlaßen haben, daß sich General Roda genötigt sah, uns eine Sonderration zukommen zu lassen, um weiter gefechtsbereit zu sein.

ES WAR DAS BESTE UND LECKERSTE HÜHNCHENBAGUETTE, WAS WIR JE IN UNSEREM ERBÄRMLICHEN SOLDATENLEBEN GEGESSEN HABEN.

So gestärkt, wollten wir nun den zweiten Teil der Probe beginnen. Leider fanden sich nur die besten Einheiten ein, die 9eme léger und wir (22ème demi-brigade). Um nicht doof rumzustehen, nutzen wir die Zeit zum Exerzieren. Hierbei kamen viele Zivilisten und machten ein Schnellportrait (Foto) von uns. Zu diesem Zeitpunkt waren wir alle sehr geschmeichelt von der Aufmerksamkeit, die wir erregten.

Den weiteren Tag verbrachten wir damit, uns im Museum umzusehen und Recherche zu betreiben. Natürlich wollten wir nicht nur das Museum besichtigen, sondern auch ein paar Sehenswürdigkeiten bestaunen. Erstes und letztes Ziel war der Eiffelturm. Wir flanierten am Eiffelturm entlang. Wiederum kamen Zivillisten um uns zu porträtieren. Mit der Zeit wurden es immer und immer mehr. Irgendwann, als sich uns die Chance bot, flüchteten wir vor ihnen. Wir wollten uns ja umschauen und nicht beschaut werden. Wir überquerten die Seine und folgten unserem Instinkt, an monumentalen Bauten vorbei, in Richtung eines Cafés.

Dieses zeichnete sich besonders durch horrende Preise aus, weswegen wir dort nicht lange verweilten. So beschloßen wir, die Stadt zu verlassen und den Rest des Abends in gemütlicher Runde zu beenden. Doch das Verlaßen der Stadt gestaltete sich schwieriger, als wir dachten. Ca. zwei und eine halbe Stunde waren wir im Verkehr gefangen und konnten uns nur durch den mutigen Einsatz des Grenadiers Robert befreien. Aber Gott (Sans-Souci) sei Dank erreichten wir die Unterbringung gegen 23.30 Uhr.

Teile unserer Einheit (Élève und Poisson) schlossen sich einem Stoßtrupp der 9ème an, um die lokalen Kneipen und Bars kennen zu lernen. Alle anderen teilten sich zur Lagerwache bei Wein und Bier ein. Der Alkohol machte uns selig und zufrieden, und wir schliefen glücklich ein.

Lassy, 6.30 Uhr, 5.12. anno 1804.

Das Morgenprozedere glich dem des Tages zuvor, und wir setzten uns recht früh Richtung Paris in Bewegung. Dieses Mal hatten wir nicht soviel Glück mit dem Wachtposten am Musée de l'Armée. Dieser hatte strikte Befehle, von denen ihn auch Sans-Souci nicht abbringen konnte. So parkten wir in der Nähe, um uns dann zum Sammelpunkt in der Nähe der Oper in Marsch zu setzen.

Schnell wurde uns klar, das wir nicht rechtzeitig ankommen würden, da uns Horden von Zivilisten mit ihren Portraitiermaschinen verfolgten und belagerten. Unser Sergent beschloß, in der Nähe des Louvres einen Hinterhalt zu stellen, um die Parade dann zu flankieren und in sie einzudringen.

Gesagt, getan, und das mit großen Erfolg. Aber hätten wir nur viel später flankiert. Eine Parade über Gehsteige ist einfach nicht dasselbe, als wenn der ganze Verkehr wegen uns zum Erliegen gekommen wäre. Aber nun ja, wir waren nun gefangen in der Marschkolonne. Dann sollten wir uns auch noch beeilen, da sonst die Eingangspforte zum Museum für uns gesperrt gewesen wäre und wir durch einen unliebsamen Hintereingang hereinmarschieren müßten. Wen hätte es gestört, diese Merde von Parade interessierte sowieso keinen, und uns war sie am egalsten. Alles verlief aber reibungslos, und alle konnten sich gebührend darstellen.

Als wir dann im Karree angetreten waren, erfolgte der Abwurf der Adler. Der sprachbehinderte Popstargeneral gab irgendetwas zu besten, alle freuten sich, und sein Anhängsel übersetzte irgendetwas. Über alle hinweg strahlte unser Divisionsgeneral Étienne Rodà, eine Lichtgestalt unter den militärischen Führern. Wir hatten es zwar nicht erwartet, aber irgendwie konnte es sich jeder denken, daß die Adler samt Fahne daran nicht so super aussahen. Himmelblau, rosa und weiß, DAS waren auf jeden Fall nicht die Farben der Tricolore, und ob der Adler wirklich aus Metall ist, wissen wir auch noch nicht.

Um unseren Leidensweg noch zu verlängern, wurden wir Zeugen einer gewißen Theatralik innerhalb des Invalidendomes. Da dachte doch jemand, er könne Trompete spielen, blasen, pusten, aber alle waren in soweit gestählt, daß sie auch dies ohne größere Ohrenschäden überstanden. Alle huldigten noch einmal dem Kaiser und zogen aus dem Invalidendom und hatten das fürchten gelernt.

Somit war unser Parisabenteuer so gut wie beendet. Wir steuerten den Truppentransporter an und verwandelten uns in Menschen des 21sten Jahrhunderts. Ohne großes Aufsehen verließen wir die Stadt der Liebe und hatten geteilte Eindrücke von diesem Event mitgenommen.

Zum einen war die Veranstaltung nicht gerade der Renner, weil sie nicht wirklich super organisiert war. Es wäre schöner gewesen, wie vor zwei Jahren in einer Schule im Zentrum untergebracht zu sein, da man auf jeden Fall mehr von Paris gehabt hätte. Zum anderen war die Parade sowie die Verleihung unserer Einheitsinsignien eher Panne.

Aber Paris war atemberaubend schön, auch wenn wir nicht soviel davon gesehen haben wegen des oben aufgeführten Grundes, wir werden auf jeden Fall irgendwann, egal ob in zivil oder Uniform, zurückkehren, um mehr von dieser Metropole miterleben zu können.

Es war ein nettes Event mit Abstrichen, aber unter dem Strich kommt sowieso meist nur Positives heraus.

Fraternité

Poisson

 

Au, das wird schwierig.

Ich hab das Elend ja von Angesicht zu Angesicht gesehen. Freude, Begeisterung? Bei den meisten der Stangenhalter hätte man einen Kohlebrocken zwischen die Hinterbacken klemmen können, bei den Verkrampfungen wären genügend Diamanten herausgekommen. Auch Federbüsche, an dieselbe Stelle appliziert, wären nicht zu Boden gefallen.

Mir geht anscheinend das richtige Maß an Gefühlen ab. Wenn mir einer der Allierten erzählt, daß sogar ihm Schauer über den Rücken gelaufen seien, kann ich das leider nicht nachvollziehen. Mir war nicht kalt. Eigentlich habe ich erwartet, daß jeden Augenblick der Sargdeckel aufspringt und sich jemand, darin stehend, nach allen Seiten verneigt.

Keine 1ten & 2ten Adlerträger beim Abholen, keine Freude bei den Einheiten, kein spontaner Jubel ... war wie am Postschalter. Bei den meisten.

Versteht mich nicht falsch, die Organisatoren haben sich jede Menge Mühe gegeben und hätten besseres verdient gehabt, aber wenn z.B. unbekannte Einheiten, die es damals noch nicht gab, eingeladen werden, deren Leistungen sich darin erschöpfen, zu existieren, dann fällt mir Madame Mère ein:

Solange es gut geht ...

Entweder bin ich ein zynischer Sack oder ich habe schon besseres erlebt. Oder beides. Uns ging es besser, als es uns schlechter ging :-)

Chasseur

 

LUI!
ER war natürlich auch dabei!
Ich finde auch, daß die Beiträge im FLG-Forum nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun haben, oder gab es noch eine zweite Veranstaltung, zu der wir nicht eingeladen waren??? Oder darf man vielleicht, ähnlich wie bei Arbeitszeugnissen, nichts negatives mehr ins FLG Forum schreiben, denn dort ist alles immer nur noch super und besser als im vorigen Jahr.

Nun aber zurück zu unserem WE. Ich schreibe hier mal stichpunktartig, was mir dazu einfällt.

1. Die Hinfahrt war super, eine sehr lustige und schöne Busfahrt, wir sollten versuchen, öfters mit einem Kleinbus zu fahren.

2. Das Quartier war nicht besonders und sehr weit außerhalb von Paris.

3. Die Schlauchentleerungen von Merde, ich glaube er trägt seinen Namen nun zu recht.

4. Völkerverständigung!!! Sehr gut man kann hier von einer neuen Achse Berlin-Paris sprechen.

5. Generalprobe. Wir durften unseren General sehen und er versorgte uns auch mit Nahrung.

6. Besuch im Armeemuseum, leider fanden wir kein WK I und II.

7. Abendwanderung durch Paris, für mich leider zu kalt.

8. Kurz vorm Kältetod Aufwärmung durch überteuerten Cognac, der aber Wunder wirkte und sehr gut schmeckte, habe, glaube ich, noch nie so was leckeres getrunken.

9. Busfahrt wieder sehr lustig trotz Stau (Anerkennung an Robbies Fahrkünste)

10. Ausklang

11. ADLERVERLEIHUNG.

Einziges Highlight: UNSER GENERAL, rein optisch schon eine Augenweide.

Die Fahnen: Ich zitiere Oli, als er Sie zum ersten mal ca. 500 Meter entfernt sah "Oh Gott Nein" Fahnen aus Plastik? Falsche Farben!!!

Absolut lächerlich fand ich das Gemälde von Napoleon.

Ansonsten empfand ich es ähnlich wie Chasseur, besonders schlecht empfand ich, daß wir die einzige Einheit mit Fahnenträger waren, und besonders panne, daß ein Kommandeur einer italienischen Einheit nicht mal zum Adler abholen sein wirres Harr zu einem Zopf macht.

Ich hätte mir etwas heroischeres für diesen einmaligen Akt vorgestellt. Vielleicht anstelle des Marsches eine Inspektion der angetretenen Truppen.

So bleibt für mich nur hängen, daß das Niveau im Re-Enactment immer weiter fällt, und das wiederum schadet der eigenen Motivation.

Délicat

 

Nun, ich war von der ganzen laschen Organisation sehr enttäuscht, aber es gibt Lieblingsszenen aus Paris, an die ich mich künftig immer wieder gerne erinnern werde:

1) Zwei Franzosen vom 18e de ligne, die mir in der Turnhalle entgegenkomen, und sich vor lachen kaum mehr halten können. Der eine zeigt mir ein Photo, das er gerade in der Dusche gemacht hat: ein Paar Badelatschen, SEINE Badelatschen, nun ja, seine Ex-Badelatschen, denn er hat sie soeben verstoßen, weil jemand (ein zum Glück "ex""-Grenadier der 22e) draufgeschissen hat. Die beiden haben wirklich echten Humor.

2) Das aus Tschechien kommende 30e régiment d'infanterie de ligne, dessen Vertreter alle diese häßlichen beigefarbenen Mäntel trugen, auf denen die Abzeichen der Caporaux-Fourriers angebracht waren. Auch wenn ein Mantel bei der Zeremonie ziemlich fehl am Platze ist, haben sie doch dadurch alle zusammen als einzige anwesende Gruppe eine komplette authentische Fahnenbedeckung zusammenbekommen, die ja im Jahre 1804 noch aus den abgeordneten Caporaux-Fourriers aller Kompanien des Bataillons bestand.

3) Der Boxer der freundlichen Bürgerin aus Saint-Denis, die uns am Samstagmorgen zum Kaffee eingeladen hatte, und der knurrend, augenrollend und zähnefletschend auf der Stelle lief, immer wieder auf uns zu springen versuchte und sich fast an seinem Halsband erwürgte, das von unserer Gastgeberin gerade eben noch festgehalten werden konnte. Ihr Kommentar dazu: Achtet nicht auf den Hund, er hat Angst.

4) Eine Besprechung der Organisatoren und Einheitsführer am Samstag im Invalidendom. Zwei der Organisatoren fragen den dritten, ob er vielleicht einen Vorschlag für die Zeremonie im Invalidendom am nächsten Tag habe, letzterer erwidert, nein, immerhin habe er ja den Invalidendom für uns organisiert, hier (weit ausholende Bewegung mit dem rechten Arm), die Kirche stünde uns zur vollen Verfügung, nun müßten WIR uns Gedanken machen, wir hätten am nächsten Tag 90 Minuten mit weihevollen Akten auszufüllen. Und wir sollten nicht vergessen, sein Zeigefinger richtete sich dabei nach unten, daß der – hierbei nahm seine Stimme einen ganz andächtigen Tonfall an – KAISER hier wäre, und wir es IHM schuldig seien, eine würdige Zeremonie durchzuführen.

Und schwupp - ward er nicht mehr gesehen. Die Zuständigkeiten waren ja durch seine Worte, auch im Vorgriff auf eventuelle Schuldzuweisungen am nächsten Tage, vollständig geklärt.

5) Das jazzige Trompetensolo am Samstag im Invalidendom am Grabe des armen Kaisers, von einem himmelblau gekleideten Individuum (ich hab nicht näher hingeguckt, ob Männlein oder Weiblein) vorgetragen. Da die meisten der Anwesenden irrtümlich der Meinung waren, daß er in Wirklichkeit vorhatte, die Noten korrekt zu blasen, hielt alles ergriffen den Atem an, ob nicht aus dem Sarkophag in der Mitte ein Rumpeln vom Sichumdrehen zu hören wäre – zum Glück ist Granit ziemlich schalldicht.

6) Der gelangweilte Abkömmling irgendeines Generals der Napoleonischen Zeit, der in seinem schäbigen modernen Mantel aussah, als wäre er nur gekommen, weil es zur Belohnung eine kostenlose warme Suppe für ihn gab. Mit matter, nuschelnder Stimme und der mitreißenden Begeisterung der Fahrplanansage auf einem zugigen Bahnhof las er von einem DIN A4 Blatt die Ansprache Napoleons bei der Adlerverleihung an die Truppen vor:

"Soldaten, hier eure Fahnen; diese Adler werden euch immerfort zum Sammelpunkte dienen; sie sind überall da, wo euer Kaiser es zur Verteidigung seines Throns und seines Volkes für nötig hält. Ihr schwört, daß ihr euer Leben opfern werdet, um sie zu verteidigen, und sie durch euren Mut immerwährend auf dem Pfade des Sieges zu erhalten !"

Wir schwören es ! (was war "es" nochmal ?)

Sans-Souci

PS. Die Worte unseres Divisionsgenerals bei der Übergabe des Adlers waren in etwa diese:

"Mein lieber Sergent, ich freue mich, Dir im Auftrag unseres lieben Kaisers diesen Adler für das 2te Bataillon des 22sten Linienregiments überreichen zu können. Es soll euch als Symbol dienen, daß ihr auch weiterhin für die Ziele kämpft, die wir bisher schon immer vertreten haben: Freiheit, Gleichheit, Ehre, Disziplin und die Republik! Außerdem soll sie euch daran erinnern, stets Disziplin und Gehorsam zu bewahren."
Quelques aigles.
Adlerversammlung
Ihr Lieben,

die Ergriffenheit des Generals hält sich in Grenzen. Das liegt daran, daß er ein aus den Revolutionskriegen abgebrühter Sack ist, den man mit Zeremoniell bestenfalls amüsieren, aber nicht mehr betören kann. Er beneidet diejenigen, welche sich noch zu Thränen rühren lassen können, angesichts von hunderten Blaukehlchen, welche geloben, den Kaiser immer zu lieben, solange sie keinen besseren finden, genug zu essen da ist, sie nicht so weit laufen müssen, ohne viel Mühe zu jeder Menge Ansehen kommen, dabei jedweder physichen oder psychischen sowie finanziellen Belastung überhoben werden, und der Fortgang all dessen gesichert ist.

Die Veranstaltung war mit vieler Mühe organisiert, die Adler sind, zumindest optisch, sehr gut, die Zeremonie war im Rahmen des möglichen schön gestaltet, aber der echte Geist war nicht da. Alte Geister haben in letzter Zeit viel Terrain zurückerobert und halten die Qualität und den Anspruch fest im Würgegriff ihres geistigen Schrebergärtnertums gefangen. Kaum eine Gruppe hatte sich wirklich auf den Empfang des Adlers eingestellt. Man schlumpfte teilweise locker und unrasiert heran, ein Arschgesicht aus England entblödete sich nicht, britisch im Stechschritt heranzutraben und zu salutieren wie eine Sprungfeder. Ich konnte den Kollegen Sokolov kaum halten – ich glaube, ohne mich wäre er vom Podest heruntergestürzt und hätte dieses Individuum zermalmt vor Zorn.

Zurecht, wie ich meine. Die polnischen Lanciers aus England haben ihren Adler dafür bekommen daß sie sich vor Pferden fürchten und die Zeche prellen – feine Gardisten! Einige italienische Gruppen sind nur noch ein Abklatsch von dem, was sie mal waren. Die 9eme war sehr gut, kann man auch erwarten, sie haben ja mitorganisiert. 22eme schickt einen extra dafür präparierten Sergenten mit Bärenfellmütze – beachtlich für die Einheit, von der ich eher erwartet hätte, daß sie unprätentiös heranschlurft und das Hühnchen abholt, so wie Christophe Cormary, dem ich das nur deshalb nachsehe, weil ich weiß, daß er wirklich ein echter Soldat ist, wie er leibt und lebt, und viel zu schlau und abgebrüht, um sich von Tand täuschen zu lassen. Dabei übertreibt er's aber etwas ... Zeremoniell gehört zum Leben wie das tägliche Brot. Das ist halt so.

Der preußische Kamerad in dem Forum hat recht: Die Franzosen sind in einer Riesenkrise. Es geht nichts voran, eher ist Rückschritt angesagt, und der wird bestenfalls verlangsamt.

Was hatten wir früher alles: Stärkemeldungen waren eine Selbstverständlichkeit. 24 h Dienst ebenso. Ausgangsscheine zum Verlassen des Lagers, Berichte. Ecole de Soldat, Gruppenzwang, welche die Uffze zu einem Mindestmaß an Kompetenz zwangen. Anzugsordnung, Disziplin. Action von früh bis spät. Dazu Stabsbesprechungen, die ihren Namen noch verdient hatten, und keine promiskuitiven Politsessions, bei denen auf die Befindlichkeiten von Hinz- und Kunz protokollarisch Rücksicht genommen werden muß und man vor lauter Mischverantwortung und mißbrauchten Mitspracherechten (Demokratie!) den kleinsten gemeinsamen pluralistischen Nenner unter dem Rasterelektronenmiskroskop suchen muß. Alles sehr schwer für die Organisatoren, sehr schwer. Aber es war die Sache wert.

Heute: Müßiggang! Langeweile! Immer das Gleiche! Sagen die Soldaten! Ich kriege das Elend, Gottlob, ja kaum noch mit.

Da kommt das "Vive l'Empereur" natürlich nicht gut! Da können sich Oleg und die Gewölbe des Doms zusammen noch so mühen.

Der französische Soldat muß gefordert werden ! Er muß richtig schwitzen, laufen, denken, kämpfen. Kein Feldherr wurde je am Abend vergöttert, wenn er nicht tagsüber verflucht wurde! Der Soldat muß voranschreiten, den Horizont und die Hoffnung auf Abenteuer in fremden Ländern, Ruhm, schöne Frauen, Wein, gutes Essen fest im Blick, und im unerschütterlichen Vertrauen auf die selbstlose und überragende Kompetenz seiner Führer und das Nahen besserer Zeiten. Das war damals so und das ist heute so und das wird immer so sein.

Doch wer führt die Armee heute? Kometen! Brocken aus Dreck und kaltem Gas, klein, unrelevant, unrund. Ohne Zeit und Herkunft sowie ohne Ziel sinnlos und närrisch purzelnd im Raum unterwegs. Sie wissen nicht woher, und wissen nicht wohin. Hauptsache, sie scheinen auf den 5 Metern, die es sie an der Erde vorbeiführt, bis sie wieder im Meer der Bedeutungslosigkeit verschwinden! Und alles nur deshalb, weil sie sich nicht in ein Sonnensystem einfügen wollen, weil sie dann ja nur der kleinste der Planeten wären. So aber ziehen sie frei durch den Raum mit  eigenem Licht und Riesenschweif. Dabei sehen sie nicht, sieht kaum jemand, daß ihr Schein nur Reflexion und Ihr Schweif nur stinkendes kaltes Gas ist, welches diese unrühmlichen Gesellen, Boten des Unheils, wie Unrat hinter sich her verbreiten und das All verpesten. "Ich leuchte" – sagen sie! "folgt mir ins Licht", und man folgt ihnen und friert und es stinkt und man weiß nicht warum, und es wird kälter und die Gänse schnattern ungewöhnlich laut und der Himmel ist so eigenartig gefärbt ......

Vive l'Empereur!

Etienne Rodá
Général de Division,
commandant en chef de la 27ème Div. militaire

Und hier noch ein Bild der Teilnehmer an unserer epischen Adlerverleihung:

Grenadiere Doigt de Fer, Berger, Copain, Poisson und Mathieu, Der Adler, Sergent Sans-Souci, Grenadiere Délicat und Robert,
Caporal Champagne und Grenadier Élève

Da wir ja eine konsularische Einheit des Jahre XI der Republik sind, blieb unser anachronistischer Adler lange im Depot unserer Demi-Brigade verborgen. Doch anläßlich der Schlacht bei Ligny im Jahre 2019, an der wir innerhalb des bataillon uni teilnahmen, kam er zum ersten Mal in Einsatz: Ligny 2019.



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